Kriminalkommissar Luiz Dantes ist am 8. August 2005 einer der ersten am Tatort. Es ist acht Uhr früh, ungläubig steht er im Tresorraum der Zentralbank von Fortaleza im Norden Brasiliens. Im Boden aus Stahlbeton klafft ein Loch. 156 Millionen Reais fehlen, das sind rund 55 Millionen Euro. Eine erste Rekonstruktion ergibt: Räuber hatten über Monate einen 78 Meter langen Tunnel gegraben, die Alarmanlage außer Gefecht gesetzt und die Überwachungskameras mit Holzpanelen abgedeckt. Über das Wochenende raubten sie in aller Seelenruhe die Bank aus, 3.500 Kilogramm wiegt die Menge an Scheinen, ausschließlich unregistrierte alte 50-Reais-Banknoten. Luiz Dantes nimmt die Ermittlungen auf in einem Jahrhundertbankraub, dem größten in der Geschichte Brasiliens. Er weiß noch nicht, dass die Untersuchung Jahre dauern wird und über 100 Personen in den Überfall verwickelt sind.
Räuber haben meisterhaften Tunnel gegraben
Zunächst untersuchen Beamte den Tunnel, ein Meisterwerk der Handwerkskunst: Er ist mit Holzpanelen verkleidet, mit elektrischem Licht und einer Belüftungsanlage ausgestattet. Er verläuft in vier Metern Tiefe und unterquert die vielbefahrene Straße Dom Manoel. Der Tunneleingang liegt in einem Nachbarblock der Bank: Die Räuber hatten vorgegeben, eine Gärtnerei zu eröffnen. Deswegen fiel die Tunnelgrabung nicht auf, obwohl insgesamt sechs Lastwagenladungen an Erde ausgehoben wurden.
Die Fahnung nach den Tätern beginnt. Eine Flughafenkamera hat Bilder der Banditen aufgezeichnet, zwei der bekanntesten Kriminellen Brasiliens und mutmaßlichen Anführer sind bereits nach São Paulo entkommen: Antonio Jussivan Alves do Santos, genannt der "Deutsche", weil er hellhäutig ist. Und der "große Maulwurf", Moises Teixeira da Silva. Er war in der Vergangenheit mit über 100 Häftlingen durch einen Tunnel aus einem Gefängnis ausgebrochen. Eine Handykarte im Tunnel führt zum dritten Kopf der Bande, Fernandinho, genannt der "Boss", ein reicher Drogendealer. Er soll den Coup mit einer halben Million Reais finanziert haben. Eine Woche später wird Fernandinho entführt und ermordet, kurze Zeit später wird auch einer seiner Entführer zerstückelt aufgefunden.
122 Personen an Bankraub beteiligt
Andere Zeugen und Beteiligte werden ebenfalls bedroht, entführt oder ermordet, die Ermittlungen ziehen sich über Jahre hin, die Spuren führen zur Mafia Brasiliens, der PCC (Primeiro Comando da Capital, erstes Kommando der Hauptstadt). Letztendlich werden die anderen beiden Anführer geschnappt: der "Deutsche" 2008 (er wird zu einer Haftstrafe von 50 Jahren verurteilt) und der "große Maulwurf" im Juli 2009 in einer Tiefgarage in São Paulo. Bei seiner Festnahme sagt er: "Ich glaube, ihr wolltet mich gar nicht kriegen, oder? Ich habe São Paulo in all der Zeit nie verlassen." Insgesamt sind an dem Bankraub 122 Personen beteiligt gewesen: Kriminelle, Drogendealer, Wachmänner und Angestellte der Bank und sogar ein Bürgermeister, der den Bankraub ebenfalls mitfinanzierte. Bis heute ist erst ein Drittel der Beute aufgetaucht. Das Geld liegt vermutlich irgendwo in Brasilien vergraben und ist in die kriminellen Kanäle der PCC geflossen.
Stand: 08.08.10