"Mit dem Dritten hört man besser" - so hätte der Westdeutsche Rundfunk 1964 werben können, als im dritten Hörfunkprogramm das Stereo-Zeitalter anbricht. Was zuvor im Radio eindimensional, also "mono-ton" ausgestrahlt wurde, bekommt mit dem neuen Verfahren eine zusätzliche räumliche Dimension. Die ist bislang nur für Technik-Avantgardisten verfügbar, die Geräte zum Abspielen der seit 1958 erhältlichen Stereo-Schallplatten besitzen. Damit auch die mit Stereofonie noch unerfahrenen Hörer lernen, ihre neuen, mit zwei Lautsprechern ausgerüsteten Empfangsgeräte richtig einzustellen, gehören zunächst drei Monate lang recht ungewohnte Töne zum regelmäßigen WDR-Programm: "Zur Prüfung der Seitenrichtigkeit hören Sie jetzt links ein langsam schlagendes Metronom. 'Tick-tack-tick-tack'."
Der Aufbruch in die Zwei-Kanal-Ton-Ära des deutschen Hörfunks beginnt 1962 und ist geprägt von langen Diskussionen unter den Intendanten der ARD. Im Mittelpunkt stehen die zu erwartenden enormen Kosten für die Umrüstung der Sendetechnik sowie der noch nicht unumstrittene, praktische Nutzen der Stereofonie. Außerdem sind bereits zwei weitere ambitionierte Groß-Projekte in Planung, die finanziell gestemmt werden müssen: die Einführung des Farbfernsehens und der Aufbau der dritten Fernsehprogramme. Gegner einer Umstellung auf die Stereo-Technik befürchten auch, dass die umfangreichen Mono-Schallarchive der öffentlich-rechtlichen Sender durch das neue Verfahren an Wert verlieren. Doch die Fortschrittsbefürworter können sich durchsetzen. Zügig werden beim WDR die technischen Voraussetzungen geschaffen, so dass im Dezember 1963 die erste Experimentierphase "on air" gestartet werden kann.
Drei Monate später, am 22. März 1964, beginnt WDR 3 mit der regelmäßigen Ausstrahlung von Stereo-Sendungen - anfangs jedoch nur stundenweise. Bis zur vollständigen Umrüstung der WDR-Hörfunkstudios und der Sendeanlagen vergehen noch einige Jahre. Im Januar 1967 strahlt der WDR in Zusammenarbeit mit dem Sender Freies Berlin (SFB), der bereits 1958 Experimente mit Stereosendungen durchgeführt hatte, das erste Hörspiel in Stereo aus, den Krimi "Das Vierte Skalpell" von Hans Gruhl. Im Oktober desselben Jahres folgt mit Cole Porters "Can Can" die europaweit erste Ausstrahlung eines Musicals mit räumlichem Klang. Dass die Stimmen von rechts und links, von hinten und vorne aus dem Radio kommen, ist seither mehr als selbstverständlich geworden. Nur die Dimensionen oben und unten bleiben auch heute, im Zeitalter der Surround-Sound-Systeme, noch technische Herausforderungen.
Stand: 22.03.09