Stichtag

07. November 2007 - Vor 5 Jahren: Rudolf Augstein stirbt in Hamburg

"Früher, als ich noch eine gute Meinung von mir hatte, betrachtete ich mich als einen Kleinaufklärer", sagt Rudolf Augstein ironisch über sich selbst. Der am 5. November 1923 in Hannover geborene Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" wird geschmäht, gefürchtet, mit Lob überhäuft. Das mag daran liegen, dass er viele Dinge anfasst, von denen andere lieber die Finger lassen. Das fängt früh an: Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gibt die britische Militärregierung dem 23-Jährigen die Lizenz für das erste deutsche Nachrichtenmagazin. Den Titel entsteht spontan: "Der Spiegel". Augstein will darin Missstände "widerspiegeln". Die erste Ausgabe erscheint am 4. Januar 1947. Später wird bekannt, dass Augstein in der Anfangszeit auch ehemalige Nationalsozialisten in der Redaktion beschäftigt hat.

"Der Spiegel" etabliert den investigativen Journalismus in der Bundesrepublik. Der wohl bekannteste Skandal ist die "Spiegelaffäre" im Oktober 1962. Die Regierung unterstellt, das Nachrichtenmagazin habe in seiner Titelgeschichte "Bedingt abwehrbereit" Pläne der Bundeswehr, und damit Staatsgeheimnisse veröffentlicht. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß ( CSU ) lässt die Redaktion des "Spiegel" in Hamburg durchsuchen. Augstein wird verhaftet und kommt erst nach gut 100 Tagen wieder frei. Die Vorwürfe gegen ihn erweisen sich als haltlos. Strauß muss zurücktreten. Auch danach werden zahlreiche Skandale aufgedeckt - wie etwa die Flick-Affäre und die Barschel-Affäre. Augstein macht den "Spiegel" zum "Sturmgeschütz der Demokratie". Doch über die Jahrzehnte verblasst der Glanz. Längst bestimmen andere den "Spiegel" mit und wollen ihn inhaltlich verändern. Augstein hält an Bewährtem fest und stößt auf Widerstand. Spät regelt er die Nachfolge: 1994 wird Stefan Aust neuer Chefredakteur. "Ich konnte nicht aussteigen", sagt Augstein.

Freunde hat Augstein - nach eigener Aussage - nur wenige. Als "gespaltenen Menschen" beschreibt ihn die frühere "Zeit"-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff: "Er ist einerseits von großer warmer Freundschaft. Andererseits ist er von kühler Erbarmungslosigkeit." Augstein wird immer wieder als Zyniker bezeichnet. Er selbst bekennt sich dazu. Seine Tochter Franziska, eines seiner vier Kinder, selbst Journalistin, sieht das anders: "Tatsächlich war mein Vater ein Realist. Aber sein Realismus war von einer Konsequenz, die zu tragen nicht jeder bereit ist." Augstein gilt als Frauenheld und ist viermal geschieden. Im Alter wird er zunehmend durch seine Alkoholkrankheit gezeichnet. Zwei Tage nach seinem 79. Geburtstag stirbt Rudolf Augstein am 7. November 2002 in Hamburg an einer Lungenentzündung.

Stand: 07.11.07