Paul von Hindenburg? Kennen wir noch aus dem Geschichtsunterricht: Der Sieger von Tannenberg, ein Monarchist an der Spitze der Weimarer Republik, ein altersschwacher Mann, der widerwillig Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, sagt der Stuttgarter Geschichtsprofessor Wolfram Pyta. In seiner Hindenburg-Biografie kommt er zum Schluss: Der Reichspräsident ist nicht senil gewesen. Er hat gewusst, was er tut - auch bei der Machtübertragung an Hitler. "Die historischen Zeugnisse, die man nach fast detektivischer Sucharbeit herausfindet, ergeben ein ganz glasklares Bild. Hindenburg war Herr seiner Entscheidungen", sagt Pyta.
Geboren wird Paul von Beneckendorff und von Hindenburg am 2. Oktober 1847 in Posen. Der preußische Adelige geht standesgemäß in eine Kadettenanstalt und wird Offizier. In den deutschen Einigungskriegen fliegen ihm die Kugeln um die Ohren. Eine durchschlägt bei Königgrätz seinen Helm und streift seinen Kopf. Trotzdem kämpft er weiter - wie auch im Krieg gegen Frankreich 1870/71. Hindenburg bringt es im Kaiserreich bis zum General und tritt 1911 in den Ruhestand. Drei Jahre später wird er im Ersten Weltkrieg reaktiviert. Hindenburg wird neuer Oberbefehlshaber der deutschen achten Armee im Osten. Er steigt in Hannover in den Zug und kommt gerade noch passend zur Schlacht von Tannenberg. Geplant haben sie andere. Doch der Sieg über die russische Armee macht ihn populär. Er steigt zum Chef der Obersten Heeresleitung auf.
Im Frühjahr 1918 versucht Hindenburg vergeblich, die Westfront zu durchbrechen. Die Deutschen verlieren den Ersten Weltkrieg. Für die Niederlage macht Hindenburg andere verantwortlich, er verbreitet die Dolchstoß-Legende: Die Heimatfront habe versagt und sei der kämpfenden Truppe in den Rücken gefallen. Hindenburgs neue Chance kommt 1925. Er siegt bei der Reichspräsidentenwahl. Seine politische Vision: Die Gräben in der Gesellschaft sollen nationalistisch überwunden werden, durch eine Volksgemeinschaft. Hindenburg versteht sich als personifizierte Nation. Bis ihm ein "böhmischer Gefreiter", wie Hindenburg Hitler nennt, in die Quere kommt. 1932 treten die beiden bei der Reichspräsidentenwahl gegeneinander an. Der Mythos Hindenburg siegt über den Emporkömmling Hitler. Doch Hindenburgs mehrfacher Wechsel der Reichskanzler und unnötige Neuwahlen stärken die NSDAP. Schließlich liefert der 85-Jährige Deutschland an Hitler aus - ganz bewusst, sagt Historiker Pyta. 1933 sei das eingetreten, was Hindenburg immer angestrebt habe: eine so genannte Regierung der nationalen Konzentration. Paul von Hindenburg stirbt am 2. August 1934. Hitler lässt ihn im Denkmal der Schlacht von Tannenberg beisetzen.
Stand: 02.10.07