Ende Juni 1934 beginnt auf Befehl von Adolf Hitler in Deutschland eine Mordserie, die unter dem irreführenden Namen "Röhm-Putsch" in die Geschichte eingeht. Tatsächlich werden neben dem SA-Stabschef Ernst Röhm noch andere Menschen umgebracht, die am internen Machtkampf der Nazis nicht beteiligt sind. Darunter ist auch der ehemalige Reichspräsident Kurt von Schleicher. Die Morde sollen als Niederschlagung eines Putschversuchs vertuscht werden. Aber im Fall von Schleicher unterläuft eine Panne. Die zuständige Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt und kommt zum Schluss: Es ist eindeutig Mord gewesen. Mit ihm hat sich Hitler an dem Mann gerächt, der ihm beinahe den Weg zur Macht versperrt hätte.
Kurt von Schleicher gehört zu einer alten preußischen Offiziersfamilie. Er wir am 7. April 1882 in Brandenburg geboren. Als Chef des Ministeramtes im Reichswehrministeriums hat er großen Einfluss, vor allem auf Reichspräsident Paul von Hindenburg. Das bringt ihm den Ruf als Intrigant und Zyniker ein. Die drei letzten Reichskanzler - Hermann Müller, Heinrich Brüning, Franz von Papen - sind zunächst von Schleicher unterstützt und dann praktisch gestürzt worden. Der Grund: Es gelingt ihnen nicht, Schleichers "Zähmungskonzept" umzusetzen und die Nazis durch Regierungsbeteiligung in die so genannt kontrollierte Verantwortung zu ziehen.
Am 2. Dezember 1932 wird Kurt von Schleicher selbst Reichskanzler. Er wagt ein riskantes Experiment: Die Politik der so genannten Querfront. Durch die politischen Lager hindurch will er einen Stoßkeil bilden, der sich gegen die Nazis richtet. Dabei sucht er unter anderem die Unterstützung der Gewerkschaften - und des links anmutenden Flügels der NSDAP: Schleicher möchte Gregor Strasser, den Reichsorganisationsleiter der NSDAP, zum Vizekanzler machen. Doch Strasser wagt den offenen Aufstand gegen Hitler nicht, bricht zusammen und verlässt Berlin. In wenigen Tagen wird sein Machtapparat innerhalb der Partei zerschlagen. Hitler selbst übernimmt Strassers Parteiämter. Von Schleicher ist mit seiner Querfront gescheitert. Am 28. Januar 1933 tritt er als Reichskanzler zurück. Damit machen die Konservativen den Weg für Hitler frei. "Wichtiger als alles andere war es ihnen, der parlamentarischen Demokratie den Garaus zu machen", sagt der Historiker Heinrich August Winkler. Kurt von Schleicher ist nur 57 Tage lang im Amt des Reichskanzlers. Aber auch eineinhalb Jahre später sieht Hitler in ihm offenbar immer noch einen potenziellen Rivalen. Am 30. Juni 1934 schickt er ein SS-Kommando zu Schleichers Villa in Neubabelsberg und lässt ihn erschießen.
Stand: 02.12.07