Nie zuvor ist ein Chef der US-Notenbank Federal Reserve System mit solchen Lobeshymnen verabschiedet worden. Als genialer "Magier" und "Maestro" der Geldmärkte wird Alan Greenspan in der Finanzwelt gefeiert, als er mit 79 Jahren in den Ruhestand geht. Alles habe der "Hexer der Fed", der "Heilige Alan", der "Superspan" während seiner Amtszeit von 1987 bis 2006 richtig gemacht, loben Börsianer weltweit.
Doch seit der Weltwirtschaftskrise 2008 tun sich etliche Experten schwer, die zuvor einhellig bejubelte Leistung Greenspans durchweg positiv zu bewerten. So macht der frühere Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, den legendären "Fed"-Präsidenten mitverantwortlich für den Kollaps der Finanzmärkte und die folgenden Banken-Zusammenbrüche. Greenspan hätte erkennen müssen, dass am Boom des US-Immobilienmarktes, dem Auslöser des Desasters, schon lange etwas faul war, urteilt Walter später: "Greenspan hat im Urvertrauen auf die Effizienz der Finanzmärkte zu lange nicht ‚Halt’ gerufen."
Vom Musiker zum Marktwirtschaftler
Der am 6. März 1926 geborene Sohn eines New Yorker Börsenmaklers zeigt schon früh Interesse für Noten, zunächst allerdings musikalischer Art. Mit einem Studium an der Juilliard School, dem berühmten Musik-Konservatorium in den USA, bereitet sich Alan Greenspan auf eine Karriere als Saxophonist vor. Als sich jedoch sein Talent begrenzter als sein Ehrgeiz erweist, tritt er mit 20 Jahren in die Fußspuren seines Vaters und studiert Wirtschaftswissenschaften. Nach einem "summa cum laude"-Abschluss gründet er eine Beratungsfirma, die ihm bald die Türen großer Konzerne öffnet. Mitte der 50er Jahre wandelt sich Greenspan, bislang Befürworter einer vom Staat gelenkten Wirtschaftspolitik, zum überzeugten Anhänger der freien, sich selbst regulierenden Marktwirtschaft.
Bewährungsprobe am "Schwarzen Montag"
Mit dieser auf Adam Smith gründenden Denkschule steigt Greenspan zum idealen Wirtschaftsberater der Republikaner auf. 1974 holt ihn Präsident Gerald Ford in seinen Stab im Weißen Haus. 13 Jahre später beruft Ronald Reagan den einflussreichen Fachmann auf den Chefsessel der Federal Reserve, der mächtigsten Zentralbank der Welt. Gerade erst installiert, besteht Greenspan seine Bewährungsprobe, als der Dow-Jones-Index am "Schwarzen Montag" im Herbst 1987 um 22 Prozent abstürzt. Lehrbuchmäßig senkt Greenspan die Leitzinsen und hilft der Wirtschaft immer wieder mit "billigem" Geld auf die Beine.
Als "Mr. Dollar" von Analysten wie Politikern geradezu mythisch verehrt, bestimmt Greenspans Kurs des Turbokapitalismus fast 20 Jahre lang die Geldmärkte der Welt.
Warnungen wie die von Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer, zuviel Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, erhöhe die Gefahr einer Spekulationsblase, lässt Greenspan bis zum Schluss abprallen. Während seiner Amtszeit steigt die umlaufende Geldmenge um nahezu 300 Prozent, von 3,6 auf 10,2 Billionen US-Dollar. Als Pensionär räumt der nun 85-Jährige zwar einzelne Fehler ein. An seiner Gesamtlinie des freien Spiels der Marktkräfte aber lässt Alan Greenspan bis heute keinen Zweifel zu.
Stand: 06.03.2011
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