Genau genommen ist Hans Rausings Reichtum "nur" ein Pappenstiel. Das Milliardenvermögen des Verpackungsunternehmers gründet auf einer kleinen Pyramide aus Karton, entwickelt von seinem 1983 verstorbenen Vater Ruben. Wie sein Landsmann und Ikea-Gründer Ingvar Kamprad gehört Ruben Rausing zu jenen findigen Fabrikanten aus Schweden, deren Produkte heute in Haushalten auf der ganzen Welt zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Wie Kamprad mit Billy-Regalen den Möbelmarkt aufmischt, so sagt Rausing mit einem Getränkekarton der Glasflasche den Kampf an.
Seit die Automatisierung des Flaschenblasens in den USA um das Jahr 1900 gelang, gilt die Glasflasche als optimale Verpackung flüssiger Massenartikel. 50 Jahre bleibt sie nahezu konkurrenzlos, bis Ruben Rausing am 18. Mai 1951 im südschwedischen Lund der Öffentlichkeit seinen Tetra Pak präsentiert. Der Markenname des absolut wasserdichten, innen folienbeschichteten Kartons leitet sich aus seiner Tetraeder-Form ab. Die schlecht stapelbare Papp-Pyramide muss später dem quaderförmigen Brik weichen, der Name Tetra Pak jedoch bürgert sich global als Gattungsbegriff für Getränkekartons ein.
Einwegkarton gegen Mehrwegflasche
Molkereien machen sich für die Verpackung von Sahne als erste die Vorzüge von Rausings Karton zunutze. Er ist bedeutend billiger als die Glasflasche und verringert Lagerflächen wie Transportkosten enorm. Außerdem erspart der Tetra Pak den Milch-Betrieben den gesamten Aufwand des Mehrweg-Systems aus Rücknahme, Reinigung und Bruchprüfung der Flaschen. 1954 exportiert Ruben Rausing seine erste Abfüll-Anlage in die Bundesrepublik; mit "Sunkist" kommt hierzulande in den 70er-Jahren das erste Erfrischungsgetränk im Tetra Pak auf den Markt. Inzwischen werden schon lange nicht nur hauptsächlich Milchprodukte im Karton verkauft, sondern auch Säfte und Pudding, Apfelmus oder Tomatensoße und sogar Wein. Allein in Deutschland werden heute sechs Milliarden Tetra Paks pro Jahr gekauft, geleert und weggeworfen – 190 Stück in jeder Sekunde. Doch selbst die Umweltschutz-Debatte um wachsende Müllberge durch Einwegverpackungen hat der Getränkekarton unbeschadet überstanden.
PET erobert den Markt
Im Jahr 2000 erteilt Umweltminister Jürgen Trittin sowohl der Mehrwegflasche als auch dem Tetra Pak das Siegel "ökologisch vorteilhaft". Die recycelbaren Einweg-Kartons belasten nach dem Urteil des Umweltministeriums die Umwelt nicht mehr als das Transportieren und Reinigen der Flaschen – allerdings mit einem Schönheitsfehler: Die Kunststoff-Innenbeschichtung macht aus dem Tetra Pak ein Verbundmaterial, das schwierig zu trennen ist. Ein Nachteil, den ein neuer Konkurrent von Glas und Pappe auf dem Getränkesektor nicht hat: Seit einigen Jahren erobert die PET-Flasche aus Plastik als Ein- und Mehrwegbehälter immer mehr Marktanteile.
Stand: 18.05.2011
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