Stichtag

17. April 1521 - Martin Luther stellt sich dem Wormser Reichstag

Anfang des 16. Jahrhunderts macht die Kirche Profit: Die Drückerkolonnen des Papstes verkaufen Freifahrtscheine ins Paradies. Der Ablass-Handel verspricht nicht nur Vergebung für die Sünder, sondern bedeutet auch Geld für den Klerus - etwa um den Petersdom in Rom zu bauen. Einer der umsatzstärksten Seelenretter ist der Dominikanermönch Johann Tetzel aus Sachsen. 1517 kommt es zum Konflikt mit dem jungen Wittenberger Theologieprofessor Martin Luther, der 95 Thesen gegen den Ablass formuliert. Das ist der Anfang der Reformation, der Rückkehr zu den Quellen. Mehr als 80 Schriften veröffentlicht Luther in den folgenden drei Jahren. Zwei Botschaften seiner Theologie machen Rom besonders nervös. Zum einen braucht es für Luther keine Priester, die als Mittler zwischen den Gläubigen und Gott auftreten. Zum anderen predigt Luther die Freiheit der Christenmenschen - von Höllen-Angst und Druck von oben. Papst Leo X. droht Luther 1520 mit dem Rauswurf: "Wir wollen Martinum verdammen." Auch Luther spart nicht mit Schmähungen. Der Papst ist für ihn nur noch "der Antichrist". Im Januar 1521 wird Luther vom Papst exkommuniziert.

Für Luther sitzen die Ketzer in Rom

Da aber seit kaum zwei Jahren einem Ketzer ein Ächtungsverfahren zusteht, macht der Bann der Kirche Luther nicht mehr automatisch zum Freiwild. Endgültig beurteilen muss den Ketzer der weltliche Herrscher, der Kaiser. Im März 1521 ruft Kaiser Karl V. deshalb Luther nach Worms - und sichert ihm freies Geleit zu. Luther reist fast 600 Kilometer von Wittenberg, der jungen Universitätsstadt, in die alte Reichshauptstadt. Am Mittwoch, dem 17. April 1521, wird Luther um 16 Uhr vor den Wormser Reichstag zitiert. Der Angeklagte soll seine Thesen zurücknehmen. Luther zögert und erbittet Bedenkzeit: "Damit ich ohne Gefahr für meine Seligkeit auf die Frage richtig antworte." Der Kaiser gewährt ihm 24 Stunden Aufschub. Am nächsten Abend spricht Luther Klartext: "Die allgemeine Unzufriedenheit kann es bezeugen, dass päpstliche Gesetze und Menschenlehre die Gewissen der Gläubigen aufs Jämmerlichste verstrickt, beschwert und gequält haben." Für Luther sitzen die Ketzer in Rom. Kirchenhistoriker Martin Treu von der Stiftung Luther-Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt sagt: "Die entscheidende Bibelstelle für ihn ist: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen."

Vom Kaiser für vogelfrei erklärt

Der Kaiser reagiert prompt und verfügt, "Martin Luther als von Gottes Kirchen abgesondert Glied und einen Zertrenner und offenbaren Ketzer" zu achten. An diesem Abend, so Historiker Treu, zerbricht die Einheit der Kirche. Trotzdem hält Karl V. Wort: Luther kann unbehelligt in Richtung Wittenberg abreisen. Vogelfrei erklärt ihn der Kaiser erst drei Wochen später. Kurz bevor dieses Edikt erscheint, verschwindet Luther durch einen inszenierten Überfall von der Bildfläche: In der Nacht auf den 5. Mai 1521 wird er von Bewaffneten auf die Wartburg bei Eisenach geschafft. Eingefädelt hat die Aktion der sächsische Kurfürst Friedrich. Als angeblicher Junker Jörg beginnt Luther in seinem Versteck, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen. Weil seine Anhänger sich immer mehr radikalisieren, Kirchen und Klöster plündern und Aufruhr predigen, verlässt Luther ein Jahr später wieder die Burg und wird von Wittenberg aus zum obersten Seelsorger der neuen Glaubensbewegung.

Stand: 17.04.2011

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