Stichtag

19. März 1986 - Uerdingen gewinnt 7:3 gegen Dresden

Zur Halbzeitpause des Fußballspiels Bayer 05 Uerdingen gegen Dynamo Dresden am 19. März 1986 in der Grotenburg-Kampfbahn im Krefelder Stadtteil Bockum treten Tausende enttäuschter Fans bereits den Heimweg an. 1:3 liegt die Heimmannschaft im Rückspiel zum Europapokal der Pokalsieger nach 45 Minuten gegen die Gäste aus der DDR im Rückstand, das Hinspiel ging bereits mit 2:0 verloren. Fünf Tore müssten die Mannen rund um Trainer Karl-Heinz Feldkamp in der zweiten Halbzeit schießen – unter fußballerischen Maßstäben eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Um die Schmach möglichst gering zu halten, versucht Feldkamp seine am Boden zerstörten Spieler in der Kabine zumindest im Hinblick auf das kommende Bundesligaspiel einigermaßen zu motivieren. "Ich habe wirklich das Fernsehen eingesetzt", wird sich der Trainer später erinnern. "Ich habe gesagt: Da oben sind vielleicht noch 500.000 an den Bildschirmen – das Stadion war ja schon halbleer –, aber dafür müssen wir jetzt wirklich noch werben, dass wir am Samstag den 1. FC Köln schlagen." Viel Hoffnung hat Feldkamp aber nicht.

"Es herrschte die pure Angst"

"Ich gehe mal soweit zu sagen, dass die Krefelder in der Halbzeit im Innersten nie daran geglaubt haben, dass sie noch eine Chance bekommen", ist auch Dynamo-Spieler Hans-Jürgen "Dixie" Dörner überzeugt. Aber während Uerdingen mit der Verzweiflung kämpft, kippt einige Meter weiter in der Mannschaftskabine von Dynamo Dresden die Stimmung. Wegen einer Schulterverletzung muss Trainer Klaus Sammer Star-Torwart Bernd Jakubowski auswechseln. Nach Auskunft Sammers herrschte danach unter seinen Kickern "die pure Angst". Denn jetzt muss der gänzlich unerfahrene Jens Ramme ins Tor.

Nach Wiederanpfiff laufen die Dinge erst einmal fünfzehn Minuten weiter wie bisher. Dann kann Uerdingen per Strafstoß auf 2:3 verkürzen. In Sekundenschnelle kippt das Spiel. Innerhalb von acht Minuten macht Uerdingen aus einem 1:3 ein 4:3. Danach spielt sich die Mannschaft endgültig in einen Rausch. Am Ende steht es 7:3 für die Heimmannschaft: ein Sieg, der als "Wunder von Uerdingen" in die Fußball-Annalen eingeht.

Klaus Sammer muss gehen

Nach Abpfiff herrscht in der Mannschaftskabine von Dynamo Dresden Totenstille. Trainer Klaus Sammer muss ebenso seinen Hut nehmen wie "Dixie" Dörner am Ende der Saison. Jens Ramme darf noch zehn Oberligaspiele für Dresden bestreiten, dann wird auch er abgesetzt. Die bittere Niederlage steckt den Dresdnern noch monatelang in den Knochen. In den darauffolgenden Spielen, so Dörner, "waren schon Ergebnisse dabei, die wir mit Sicherheit anders gestaltet hätten, wenn wir Uerdingen überstanden hätten".
Für Bayer 05 Uerdingen geht es im Halbfinale gegen Atletico Madrid - ein Spiel, das verloren geht. Das "Wunder von Uerdingen" ist trotzdem der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.

Stand: 19.03.2011

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist in den vier Wochen nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.