Stichtag

15. Februar 1911 - Todestag von Theodor Escherich

Es gibt nur wenige Stunden im Leben eines Menschen, in denen er die kleinen Organismen nicht in sich trägt: in der Zeit zwischen Geburt und erster Nahrungsaufnahme. Nach der ersten Milchmahlzeit besiedeln die kleinen, nur zwei hundertstel Millimeter langen Stäbchen-Bakterien den Darm: Escherichia coli, oder kurz E.coli. Die Bazillen - Abteilung der Proteobacteria, Klasse der Gammaproteobacteria, Ordnung der Enterobacteriales - sind überlebenswichtig für den Menschen. Sie bekämpfen schädliche Keime im Darm, stärken die Immunabwehr, übernehmen Aufgaben bei der Verdauung und helfen, Vitamin K2 zu bilden. Der Kinderarzt und Bakteriologe Theodor Escherich hat das "Bacterium coli commune" 1885 erstmals beschrieben. Bis heute ist es eines der Mikroorganismen, die am besten erforscht sind.

Keine Bakterien in der ersten Ausscheidung Neugeborener

Theodor Escherich kommt am 29. November 1857 im bayrischen Ansbach als Sohn eines Gerichtsmediziners zur Welt. In Straßburg, Kiel, Berlin und Würzburg studiert er Medizin, 1881 erwirbt er seinen Doktortitel. Ein Jahr später, 1882, entdeckt Robert Koch den Tuberkulose-Erreger. Die neue Wissenschaft der Bakteriologie fasziniert die Forscher; auf einmal lassen sich Krankheiten verstehen und behandeln, denen die Ärzte zuvor hilflos gegenüberstanden. Auch Escherich, ab 1886 Privatdozent für Kinderheilkunde in München, sucht nach neuen Mikroorganismen. Er erforscht das Mekonium, die erste Ausscheidung Neugeborener, und stellt fest: Darin befinden sich keinerlei Bakterien. Nach der ersten Milchmahlzeit lassen sich jedoch Milchbakterien und die später nach ihm benannten E.coli-Bakterien nachweisen. Seine Arbeit "Die Darmbakterien des Säuglings und ihre Beziehungen zur Physiologie der Verdauung" von 1886 bringt ihm weltweit Anerkennung ein. Die Einführung der Bakteriologie in die Kinderheilkunde gilt als seine größte wissenschaftliche Leistung.

"Freude an der Forschung und Liebe zum Kind"

Escherich, ab 1902 Professor für Kinderheilkunde am Wiener St.-Anna-Kinderspital, beschreibt schon damals das zwiespältige Wesen der E.coli-Bakterien. Im Darm sind sie lebenswichtig, außerhalb lösen sie schmerzhafte Infektionen, Durchfallerkrankungen und Lebensmittelvergiftungen aus. So sind E.coli-Bakterien oft die Ursache für Harnwegsinfekte, Lungenentzündungen, Gehirnhautentzündungen und Blutvergiftungen. Gefährlich sind die Fäkalkeime auch, wenn sie ins Trinkwasser gelangen. Seit 2003 empfiehlt die WHO E.coli-Bazillen als besten Indikator für verschmutztes Wasser. Heute gehören einige der rund 50.000 verschiedenen E.coli-Stämme zu den hartnäckigsten Problemkeimen in Krankenhäusern, gegen die Antibiotika kaum mehr helfen. 1919 werden die Keime nach ihrem Entdecker Escherich benannt. Der ist zu dieser Zeit längst tot: Frühzeitig war er an Arteriosklerose erkrankt und starb 53-jährig am 15. Februar 1911 in Wien an den Folgen eines Schlaganfalls. Der Kinderarzt Julius Zappert schrieb im Nachruf in der renommierten Wiener Medizinischen Wochenschrift, Escherich habe "Freude an der Forschung und Liebe zum Kind" vereinbart.

Stand: 15.02.2011

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