Stichtag

23. März 1935 - Ausstellung "Das Wunder des Lebens" eröffnet

Die Präsentation ist beeindruckend: In einem großen, fast leeren, etwas abgedunkelten Raum steht ein gläserner Mensch, dem bis in die Eingeweide geschaut werden kann. Auf Knopfdruck beginnen die Organe zu leuchten und von einer Schallplatte werden Erklärungen eingespielt: "Im Brustraum sehen wir die beiden Lungenflügel." Die Glasfigur ist die Hauptattraktion der aufwändig gestalteten Ausstellung "Das Wunder des Lebens" - eine Propaganda-Schau, die den Besuchern die Nazi-Rassentheorie plausibel machen soll. Die Ausstellung wird am 23. März 1935 in Berlin von Reichsinnenminister Wilhelm Frick eröffnet.

Nazi-Logik: "Ballastexistenzen" sind teuer

"Es ist der Mensch, erbgesund und rassisch vollwertig, der heute Richtschnur unseres politischen und gesellschaftlichen Daseins ist", heißt es im Ausstellungskatalog. Es gehe "um die Erhaltung der Güte und der rassischen Eigenart unserer Nation". Nach der Nazi-Logik muss nicht nur der eigene Körper durch Hygiene vor Krankheiten geschützt, sondern auch der sogenannte Volkskörper rein gehalten werden - durch "Rassenhygiene". Behinderte schwächen demnach den gesunden "Volkskörper" und sind teuer: "Ein Erbkranker kostet bis zur Erreichung des 60. Lebensjahres im Durchschnitt 50.000 Reichsmark!"

Mit großen Schautafeln wird scheinbar wissenschaftlich belegt, das "Minderwertige" sich stärker fortpflanzen als "Höherwertige" - und angeblich dadurch der "Volkskörper" immer weiter degeneriert. Es wird suggeriert, dass sich die "Volksgemeinschaft" von den "Ballastexistenzen" und "unnützen Essern" trennen sollte. Wie das zu geschehen hat, darüber macht die Ausstellung keine Aussage.

Vier Millionen Besucher

Seit Januar 1934 ist damals das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" in Kraft. Es erlaubt, "Erbranke" gegen ihren Willen zu sterilisieren. Doch das genügt den Nazis nicht. 1939 beginnt mit der "Aktion T4" der systematische Krankenmord im Deutschen Reich. Insgesamt werden rund 300.000 Menschen, die als "lebensunwertes Leben" gelten, im Rahmen des "Euthanasie"-Programms umgebracht. Etwa 400.000 werden zwangssterilisiert. Die Ausstellung "Das Wunder des Lebens" geht derweil auf Wanderschaft: Bis 1944 wird sie reichsweit und in den besetzten Gebieten insgesamt über vier Millionen Besuchern gezeigt.

Stand: 23.03.2010