Jahrzehntelang wird die Sowjetunion von alten Männern regiert: Leonid Breschnew, Juri Andropow, Konstantin Tschernenko. Nach dem Tod des 76-jährigen Breschnew kommt 1982 Andropow an die Macht. Der 68-Jährige wird trotz seines schlechten Gesundheitszustandes zum Generalsekretär der KPdSU gewählt - und stirbt nach 15 Monaten im Amt. Sein Nachfolger wird 1984 Tschernenko, 72 Jahre alt und ebenfalls bereits schwer krank. Das ist die Chance für den Zweiten Sekretär der Kommunistischen Partei: Michail Gorbatschow. Er reist an Stelle von Tschernenko nach Großbritannien und präsentiert sich dort als dessen Nachfolger. "Gorbatschow (...) sprach offen über künftige Veränderungen in der Sowjetunion, über einen neuen Friedensprozess, den er mit dem Westen beginnen wollte", sagt Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Tschernenko stirbt nach 15 Monaten im Amt. Zu den Gesetzmäßigkeiten des Parteiapparats gehört es, dass in diesem Fall der zweite Mann in der Hierarchie an die Spitze gelangt. Gorbatschow muss also keinen Gegenkandidaten fürchten. Der 54-Jährige wird am 11. März 1985 zum Generalsekretär gewählt. Hinter ihm liegt ein steiler Aufstieg: "Der Bauernsohn aus dem Nordkaukasus, studierter Agrarökonom und Jurist, war schon als 49-Jähriger Vollmitglied im Politbüro", sagt Rahr. Noch 1985 trifft Gorbatschow zum ersten Mal US-Präsident Ronald Reagan zu Abrüstungsverhandlungen. Für die sowjetische Gesellschaft propagiert Gorbatschow "Glasnost" ("Offenheit") und "Perestroika" ("Umbau"). Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) gibt sich misstrauisch: Gorbatschow sei zwar nie in Hollywood gewesen, er verstehe aber etwas von Public Relations (PR). "Goebbels verstand auch was von PR", sagt Kohl in einem Interview. Der Vergleich beeinträchtigt jahrelang das deutsch-sowjetische Verhältnis. Bei Gorbatschows Staatsbesuch in Bonn im Juni 1989 entschuldigt sich Kohl dann bei seinem Gast - und erfährt, dass die Sowjetunion kein besonderes Interesse am Erhalt der Berliner Mauer habe.
Als Gorbatschow im Oktober 1989 zum 40. Jahrestag der DDR-Staatsgründung nach Ost-Berlin fährt, soll er Staatschef Erich Honecker sinngemäß mit auf den Weg gegeben haben: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." 1990 wird Gorbatschow für seine politische Leistung bei der Überwindung des Kalten Krieges mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Während seine Popularität im Ausland zunimmt, wachsen jedoch zu Hause Armut und Unzufriedenheit. Im August 1991 putschen Alt-Kommunisten, Militärs und Geheimdienstmitarbeiter gegen den sowjetischen Staatschef, der am Schwarzen Meer Urlaub macht. Der russische Präsident Boris Jelzin kann in Moskau mit seinen Getreuen den Staatsstreich niederschlagen. Nach 72 Stunden Hausarrest ist Gorbatschow wieder Präsident - jedenfalls offiziell. Er hat den Putsch politisch zwar überstanden, aber nun ist Jelzin der neue starke Mann. Dessen Forderung: weg mit der KPdSU, weg mit der Sowjetunion. Gorbatschow verliert den Machtkampf. Als Folge des Staatsstreichs wird die Auflösung der Sowjetunion beschlossen. Am 25. Dezember 1991 hört die UdSSR auf zu existieren. Es ist auch das Ende von Gorbatschows politischer Laufbahn.
Stand: 11.03.10