Keines ihrer vielen berühmten Lieder wie "Gracias a la Vida" hat die Sängerin mit der warmen, kraftvollen Alt-Stimme selbst geschrieben. Doch als Mitbegründerin der Bewegung "Nuevo Canciónero argentino", die das traditionelle Lied Argentiniens mit sozialkritischen und politischen Texten verbindet, wird Mercedes Sosa zur weltweit bekanntesten Protagonistin des lateinamerikanischen Protestliedes. In ihrer Heimat genießt "La Negra", wie die charismatische Indio-Nachfahrin wegen ihres schwarzen Haars und der wallenden, schwarzen Kleider genannt wird, eine so tiefe Verehrung wie zuvor nur Tango-Legende Carlos Gardel oder Evita Peron. Als Mercedes Sosa am 4. Oktober 2009 nach langer Krankheit in Buenos Aires stirbt, dankt ihr Argentinien mit dreitägiger Staatstrauer.
Anklagen gegen Armut und Unterdrückung
Mit 15 Jahren gewinnt die am 9. Juli 1935 am Ostrand der Anden geborene Tochter eines Zuckerrohrarbeiters einen Gesangswettbewerb. Sie beschließt, Folklore-Sängerin zu werden; Radio-Auftritte machen sie im ganzen Land bekannt. Stark beeinflusst von den revolutionären Liedern des Chilenen Victor Jara und der Amerikanerin Joan Baez veröffentlicht Mercedes Sosa 1965 ihre erste LP "Canciones con fundamento" – eine Anklage gegen Armut und Unterdrückung in Argentinien. Nach dem Militär-Putsch 1976 ist eine Konfrontation mit der Junta des Generals Videla unausweichlich. Als Mercedes Sosa 1978 ein Konzert in La Plata gibt, wird sie von der Bühne weg zusammen mit einem Großteil ihres Publikums für kurze Zeit verhaftet. "Die Stimme Lateinamerikas" muss ins Exil nach Europa, kehrt aber noch vor dem Ende der Militärdiktatur nach Argentinien zurück.
Mit Weltstars auf der Bühne
Ihre Landsleute bereiten Mercedes Sosa einen überwältigenden Empfang. 60.000 Menschen kommen im Februar 1982 zu ihren ersten beiden Konzerten in Buenos Aires. Überall im Land kämpft "La Negra" für freie Wahlen, die im Jahr darauf Raul Alfonsin als ersten demokratischen Präsidenten ins Amt bringen. Ab Mitte der 80er Jahre gewinnt Mercedes Sosa auch in Europa und den USA eine begeisterte, politisch meist linke Anhängerschaft. Nach einem triumphalen Auftritt beim Hamburger Frauenfestival 1986 lädt Alfred Biolek sie zu "Mensch Meier" ein und macht die kleine Frau mit den indianischen Gesichtszügen bundesweit bekannt. Unter anderem mit Konstantin Wecker und Joan Baez unternimmt Mercedes Sosa große Tourneen durch Europa, erntet Beifallsstürme in der New Yorker Carnegie Hall und bei einem gemeinsamen Konzert mit Bruce Springsteen, Sting und Peter Gabriel im Stadion von Buenos Aires. In ihr Repertoire nimmt sie nun auch andere Stile wie Tango und Samba bis hin zum Jazz auf.Seit Anfang der 90er Jahre leidet die Sängerin zunehmend an der Zuckerkrankheit. Ihrem Engagement tut das keinen Abbruch. Als einflussreiche Stimme begleitet sie den Demokratieprozess in Argentinien und unternimmt, sichtlich geschwächt, weiter ausgedehnte Tourneen, wann immer es ihre Gesundheit zulässt. 2008 reist Mercedes Sosa ein letztes Mal durch Europa und erinnert, wie die "Zeit" schreibt, "mit ihrer Musik daran, dass Argentinien nicht nur das Land der Nachkommen südeuropäischer Einwanderer ist, sondern auch das der Inkas und anderer indigener Völker".
Stand: 09.07.10