1970 veröffentlicht die Literaturwissenschaftlerin Kate Millett in den USA ihre Doktorarbeit. Sie wird über Nacht zum Bestseller. "Sexual Politics" trägt den deutschen Titel "Sexus und Herrschaft - Über die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft". In nur zwei Wochen erscheinen sechs Auflagen. Das Buch wird zum Manifest der feministischen Bewegung. Millett stellt darin die These auf, "dass Sex einen häufig vernachlässigten politischen Aspekt besitzt". Sie hat anhand der Gegenwartsliteratur untersucht, welche Rolle "Machtbegriffe und Herrschaftsansprüche" beim Geschlechtsverkehr spielen. Die Kritiker überschlagen sich vor Begeisterung. Die "New York Times" schreibt: "'Sexus und Herrschaft' ist die grundlegende wissenschaftliche Untersuchung über die unendliche, vielfältige Ausbeutung der Frau durch den Mann." Bald gehört Millett zu den Exponentinnen der amerikanischen Frauenrechtsbewegung.
Geboren wird Kate Millett am 14. September 1934 in St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota. Bildung ist in ihrer katholischen Familie äußerst wichtig, doch Kate hat von Beginn an eine eigene Vorstellung davon. Fünf Mal wird sie aus dem Unterricht verwiesen, einmal fliegt sie von der Schule. "Als schlimmstes Vergehen warf man mir einmal Ketzerei vor", erinnert sich Millett. Die habe einer unterrichtenden Nonne zynische Fragen gestellt. "Es war der Anfang einer langen Karriere." Millett studiert englische Literatur und schließt an der Universität von Minnesota und in Oxford mit Bestnoten ab. In North Carolina gibt sie 1958 erste Kurse, verlässt die Universität jedoch mitten im Semester. Sie will Bildhauerin werden und mietet sich ein Loft in New York. 1961 reist sie nach Tokio und freundet sich dort mit Yoko Ono, der späteren Frau von John Lennon, an. Sie heiratet den Bildhauer Fumio Yoshimura, von dem sie sich später scheiden lässt. Zurück in New York beginnt Millett erneut zu unterrichten, tritt der Bürgerrechtsbewegung bei, protestiert gegen den Vietnamkrieg, wird Feministin und outet sich als lesbisch.
Millett will alles zugleich sein: Feministin, Schriftstellerin, Bildhauerin, Fotografin, Filmemacherin, lesbische Aktivistin. Ihre Familie hat dafür kein Verständnis. 1973 lässt die ältere Schwester Sally sie vorübergehend in eine psychiatrische Klinik zwangseinweisen und mit Medikamenten ruhig stellen. Diagnostiziert wird ein manisch-depressives Krankheitsbild. Millett erkämpft ihre Entlassung, bleibt aber noch viele Jahre lang medikamentenabhängig. 1977 erscheint ihr Buch "Sita". Es erzählt von einer unglücklichen lesbischen Beziehung. Millett reist in den Iran, um die dortige Frauenbewegung zu unterstützen. Sie wird ausgewiesen und veröffentlicht den Erfahrungsbericht "Going to Iran". 1980 erscheint "Im Basement", ein Dokudrama über Folter. Nach jahrelangem öffentlichen Schweigen bringt Millett 1990 ihre autobiographische Reportage "Der Klapsmühlentrip" heraus, in dem sie mit der Psychiatrie abrechnet. Millett lebt zurückgezogen auf ihrer Farm im Staat New York, wo sie eine Kolonie für Künstlerinnen aufgebaut hat.
Stand: 14.09.09