Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Frieden in Europa erneut in Gefahr. Im Juni 1948 hat Stalin die Westsektoren Berlins blockiert. An seinen Absichten lässt der Sowjet-Diktator keinen Zweifel: "Er wollte nicht nur Ostdeutschland, er wollte ganz Deutschland, vielleicht sogar ganz Westeuropa", erklärt der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker.
Um Stalins Expansionsgelüste auszubremsen, beschließen die USA gemeinsam mit Briten und Franzosen, in ihren Zonen einen starken deutschen West-Staat zu gründen. So fordern die Alliierten die Ministerpräsidenten der elf deutschen Länder auf, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Der Auftrag lautet: Erarbeitung eines Grundgesetztes als vorläufige Verfassung für eine Bundesrepublik Deutschland.
Eröffnungssitzung im Museum König
Am 1. September 1948 tritt der Parlamentarische Rat in Bonn zu seiner feierlichen Eröffnungssitzung zusammen. Mangels eines anderen verfügbaren Saales versammeln sich die 65 stimmberechtigten Abgeordneten im Zoologischen Museum Alexander Koenig, umrahmt von einem Gorilla und anderen ausgestopften Exoten.
Mit stürmischem Applaus begrüßen sie die fünf nicht stimmberechtigten Vertreter West-Berlins. Karl Arnold, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, betont in seiner Festrede mit scharfen Worten den Anspruch des Gremiums, für ganz Deutschland zu handeln.
Nach dem eher nüchternen Festakt ziehen die Abgeordneten um in die Pädagogische Akademie, die eigentliche Tagungsstätte. Erst nach einigen Turbulenzen - der Kommunist Max Reimann hatte die sofortige Selbstauflösung des Rates beantragt - kann dort ein Präsident gewählt werden. Es ist ein bereits 72 Jahre alter Politiker, der von allen Fraktionen als ungefährlicher Kompromisskandidat eingeschätzt wird.
Fäden ziehen im Hintergrund
"Den Adenauer haben wir zum Präsidenten gewählt, um diesen unbequemen alten Nörgler auf einem Ehrenplatz kalt zu stellen", begründet die SPD ihre Stimmen für den konservativen früheren Oberbürgermeister von Köln. Inhaltlich mischt sich "der Alte aus Rhöndorf" in den folgenden Wochen denn auch kaum ein, fehlt sogar bei vielen Sitzungen. Trotzdem gelingt es Adenauer, sich als Medienstar des Parlamentarischen Rates in den Vordergrund zu spielen - und im Hintergrund die Fäden zu ziehen, etwa bei der Wahl Bonns zur Bundeshauptstadt.
Vier Jahre nach der Kapitulation und acht Monate nach seiner konstituierenden Sitzung hat der Parlamentarische Rat sein Ziel erreicht. Am 8. Mai 1949 wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit 53 Ja-Stimmen verabschiedet. Dagegen sind nur die beiden Kommunisten und die Vertreter Bayerns. Über die Rolle des "Verfassungsvaters" Adenauer urteilt Bundespräsident Theodor Heuss zehn Jahre später: " Von Adenauer stammt kein Komma."
Stand: 01.09.2008
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