Die olympische Fachwelt ist skeptisch. Können die Sommerspiele in Mexiko überhaupt funktionieren? Nicht nur die politische Weltlage ist angespannt: Erstmals soll das olympische Feuer in einem lateinamerikanischen Land entzündet werden. 2250 Meter über dem Meeresspiegel liegen die Spielstätten, in bisher kaum erprobter, dünner Luft. Kritiker befürchten Todesfälle. "Diese Spiele werden darüber entscheiden, wo die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit liegen", mutmaßt ein Reporter.
Die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit indes liegen höher und weiter als erwartet. Die Olympischen Spiele von Mexiko, am 12. Oktober 1968 eröffnet, werden Spiele der Rekorde. Vor allem die Leichtathleten, die im Vorfeld im Höhenlager trainiert haben, übertreffen alle Erwartungen. Der US-Amerikaner Bob Beamon springt mit 8,90 Meter einen halben Meter weiter als der bisherige Weltrekordinhaber. Im 400-Meter-Finale der Männer, das erstmals auf einer Kunststoff- statt auf einer Aschebahn ausgetragen wird, läuft sein Landsmann Lee Ewans die Traumzeit von 43,8 Sekunden. Über zwei Jahrzehnte lang wird kein Mensch mehr weiter springen oder schneller laufen. Der größte "Flop" von Mexiko ist der eigentliche Hit: Mit einem zunächst belächelten neuen Sprungstil gleichen Namens eröffnet Goldmedaillengewinner Dick Fosby dem Hochsprung eine neue Dimension.
Mexiko bedeutet vor allem den endgültigen Durchbruch für die schwarzen Läufer. Die Mittel- und Langstrecken - bisher eher das Feld der Europäer - werden von Afrikanern dominiert. Das neue Selbstbewusstsein schlägt sich auch politisch nieder. Bei der Siegerehrung recken die Afroamerikaner Tommie Smith und John Carlos aus den USA demonstrativ eine behandschuhe Faust in den Himmel: das Zeichen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung Black Power. Sie werden sofort aus der Mannschaft ausgeschlossen und müssen nach Hause fahren.
Stand: 12.10.08