Dieser "Hotzenplotz mit Kölner Dialekt" (Die Zeit) hat Meistertitel und Pokalsiege gesammelt wie kaum ein zweiter deutscher Trainer. Und er hat es gehasst zu verlieren, beim Fußball wie beim Skat. Angriffsfußball, so wie er aktuell modern ist, das war schon vor 50 Jahren das Spiel von Hans "Hennes" Weisweiler. Geboren wird die heute noch von Spielern und Kollegen verehrte Trainer-Legende am 5. Dezember 1919 in Lechenich, vor den Toren Kölns. Nach dem Abitur und Kriegsjahren als Flaksoldat kehrt Weisweiler, der als aktiver Spieler für seine kompromisslose Abwehrarbeit berüchtigt ist, ins Rheinland zurück. Beim gerade gegründeten 1. FC Köln erarbeitet er sich als Spieler und Trainer zugleich erste Verdienste - und den Spitznamen "dä Buur" (der Bauer), wegen seiner ländlichen Herkunft und seines polternden Wesens.
Als Zirkusdirektorin Carola Williams dem jungen Verein völlig überraschend einen Ziegenbock als Maskottchen schenkt, tauft die Mannschaft das Tier spontan auf den Namen "Hennes". Seither sind Geißbock und 1. FC Köln untrennbar miteinander verbunden. Nach einem Zwischenspiel als Trainer-Ausbilder an der Kölner Sporthochschule und Assistent von Bundestrainer Sepp Herberger übernimmt Weisweiler 1964 den Regionalligisten Borussia Mönchengladbach. In den folgenden elf Jahren formt er zahlreiche junge Nachwuchstalente zur später als "Fohlen-Elf" berühmt gewordenen Mannschaft und führt sie in der Bundesliga zu drei Meisterschaften sowie zum Gewinn des DFB-Pokals und des Uefa-Cups. Weisweilers Kräche mit seinem rebellischen Mittelfeld-Genie Günter Netzer gehören zur Fußball-Historie. "Abseits ist, wenn das blonde Arschloch den Ball wieder zu spät abspielt", lautet ein bezeichnender Weisweiler-Spruch aus jener Zeit.
Weisweilers berauschende Offensiv-Taktik macht auch bei Europas Spitzenclubs Eindruck. 1975 lockt der FC Barcelona den Meister-Coach mit viel Geld nach Spanien. Dort aber verliert Weisweiler den Machtkampf mit Barcelonas Top-Spieler Johann Cruyff. Nach nur zehn Monaten wird er zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere entlassen. "Der verlorene Sohn" kehrt in seine Heimatstadt Köln zurück und erringt mit dem FC sofort den Pokal, im Jahr darauf sogar das Double aus Meisterschaft und Pokal. 1980 lässt sich Hennes Weisweiler auf das größte Abenteuer seiner Laufbahn ein. Mit dem zusammengewürfelten All-Star-Team von Cosmos New York soll er den Fußball in den USA populär machen. Zwei Jahre später hat der beharrliche Dickkopf von der "Operettenliga" und ihren millionensatten Altstars die Nase voll. Mit seiner 23 Jahre jüngeren Frau Gisela und dem in New York geborenen Sohn John wechselt Weisweiler in die Schweiz, wo er 1982 bei Grashopper Zürich unterschreibt. Der Erfolg bleibt dem "Fußball-Professor", wie er inzwischen genannt wird, auch dort treu. Auf Anhieb führt er den Club zum Double. Völlig unerwartet erliegt Hennes Weisweiler am 5. Juli 1983 einem Herzinfarkt. Bei seiner Trauerfeier im Kölner Dom geben ihm die Welt-Fußballelite und zigtausende Kölner Bürger das letzte Geleit.
Stand: 05.07.08