Sie haben den alten Mann aus Südafrika noch nie gesehen und kennen nur ein einziges Foto von ihm. Trotzdem strömen im Juni 1988 anlässlich seines 70. Geburtstags über 70.000 meist junge Menschen ins Londoner Wembley Stadion. "Free Nelson Mandela " lautet die Parole, die sie zusammen mit einer Hundertschaft der größten Pop- und Filmstars den rund 600 Millionen Fernsehzuschauern weltweit zurufen. Denn der Jubilar fehlt bei der Veranstaltung. Seit 26 Jahren sitzt der schwarze südafrikanische Freiheitskämpfer Nelson Mandela in den Gefängnissen des Apartheidsregimes. Und doch fürchten die weißen Herrscher am Kap keinen Gegner mehr als diesen inzwischen weißhäuptigen Kämpfer gegen die Rassentrennung. Zu Recht. Sechs Jahre nach dem Konzert in London wird der ehemalige Staatsfeind Nr. 1 zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt.
Der Mann, der das menschenverachtende Buren-Regime kraft seiner Persönlichkeit in die Knie zwingt , wird am 18. Juli 1918 ins Königshaus des Xhosa-Volkes hineingeboren. Sein Vater gibt ihm den Vornamen Rolihlahla, was "Unruhestifter" bedeutet. Eine Lehrerin tauft den überaus intelligenten Jungen in Nelson um. In die Zeit von Mandelas Geburt fällt die Gründung des African National Congress ( ANC ), der den Klagen der afrikanischen Menschen in Europa Gehör verschaffen will. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt der Aufstieg des politisch aktiven Jurastudenten Nelson Mandela zur charismatischen Führungsgestalt des ANC. 1952 eröffnet er in Johannesburg als erster Schwarzer eine Rechtsanwaltskanzlei. "Ich weiß nicht, wann ich mein Leben völlig dem Freiheitskampf verschrieb", verrät Mandela in seiner Autobiografie, "es war eine Anhäufung von tausend Kränkungen, die die Wut in mir erzeugte."
Weil die Burenregierung immer brutaler gegenüber der schwarzen Bevölkerung auftritt, muss auch der ANC unter Leitung des von Mahatma Gandhi beeinflussten Mandela den Freiheitskampf radikalisieren. Nach etlichen Verhaftungen und kürzeren Gefängnisstrafen macht die Regierung im Herbst 1963 der gesamten ANC-Führung den Prozess. Als Hauptverantwortlicher für mehr als 150 Sabotageakte wird Nelson Mandela im April 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. Die ersten 18 Jahre verbüßt er auf der berüchtigten Sträflingsinsel Robben Island, dann weitere neun Jahre im Hochsicherheitsgefängnis von Kapstadt. 1989 muss Südafrikas Präsident Frederik Willem de Klerk auf massiven Druck der Weltöffentlichkeit mit seinem inhaftierten Gegner Verhandlungen über die Zukunft Südafrikas aufnehmen. Erst gegen die Zusage de Klerks, die Demokratie einzuführen, willigt Mandela in seine eigene Freilassung ein. Am 11. Februar 1990 verlässt der 70-Jährige das Gefängnis als hoch verehrtes und unumstrittenes Symbol für ein neues Südafrika. Nahezu ohne Blutvergießen vollzieht sich unter Mandelas Führung die Umwandlung des weißen Unrechtsregimes in einen Verfassungsstaat, der alle Rassengruppen gleichermaßen vertritt. Nach fünf Jahren als erster frei gewählter Präsident genießt Nelson Mandela an seinem 90. Geburtstag weltweit Respekt und Verehrung wie kein anderer lebender Staatsmann.
Stand: 18.07.08