Am 15. November 1908 geht ein Aufatmen durch die Presse Europas und der USA: Der belgische Staat hat offiziell den Kongo als Kolonie übernommen - von seinem eigenen König Leopold II. Ein Schreckensregime geht so zu Ende, hofft die Öffentlichkeit.Leopold II. hat das Land im Herzen Afrikas schon 30 Jahre zuvor durch den berühmten Abenteurer Henry Morton Stanley erschließen lassen. Auf der Berliner Kongo-Konferenz 1885 lässt er das Land als seinen Privatbesitz anerkennen - angeblich mit hehren humanitären Zielen. In Wirklichkeit beutet er das Land konsequent aus: durch systematische Zwangsarbeit. Die Einheimischen müssen den Rohstoff Kautschuk liefern, oder sie werden massakriert. Nach heutigen Schätzungen sterben bis zu 8 Millionen Menschen unter dem Regime, etwa die Hälfte der kongolesischen Bevölkerung.
Edmund D. Morel, der Angestellte einer Liverpooler Schifffahrtsgesellschaft, bringt die Verhältnisse schließlich an die Öffentlichkeit. Er beobachtet, dass die Schiffe wertvolle Fracht aus Afrika anlanden, aber zurück nur Waffen und Soldaten reisen. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf die "Kongo-Gräuel": Sklaverei, Vertreibung, massenweise abgehackte Hände. Morel entfacht in Europa und den USA eine Menschenrechtsbewegung, die schließlich zum belgischen Parlamentsbeschluss von 1908 führt. Eine große Rolle spielt dabei auch der Roman "Das Herz der Finsternis" von Joseph Conrad. Der dort geschilderte Mr. Kurtz, der seinen Zaun mit schwarzen Schrumpfköpfen schmückt, hat einen realen Kolonialoffizier zum Vorbild. (Später versetzt Francis Ford Coppola die Handlung im Film "Apokalypse Now" nach Vietnam.)
Mit der "Verstaatlichung" der Kolonie endet die Zwangsarbeit jedoch nicht, sie wird nur gemildert. Noch in den 1920er Jahren sterben etwa 20.000 Arbeiter bei der Errichtung einer Eisenbahnlinie. Der Kongo wird weiter mehr ausgebeutet als entwickelt. Als Belgien die Kolonie 1960 in die Unabhängigkeit entlässt, übernimmt der erste schwarze Präsident Patrice Lumumba ein ausgezehrtes Land, dessen gewachsene soziale Strukturen zerstört wurden. Lumumba wird auf Betreiben des CIA ermordet. Vom Westen gestützt übernimmt Joseph Mobutu die Macht für Jahrzehnte. Der Diktator ist Ex-Unteroffizier der belgischen Kolonialtruppen und an Lumumbas Ermordung beteiligt. Erst 1997 wird er gestürzt. Doch der Kongo kommt auch danach nicht zur Ruhe. Heute tobt im Osten des Landes ein Krieg um die Kontrolle der größten Goldvorkommen der Welt.
Stand: 15.11.08