101 Böllerschüsse aus 20 Kanonen geben in Wien die Geburt bekannt: Kaiserin Elisabeth (genannt Sissi) hat 20 Kilometer entfernt, auf Schloss Laxenburg in Niederösterreich, einen Jungen bekommen, den ersten Habsburger Kronprinzen seit 65 Jahren. Aber die Mutter kümmert sich kaum um den kleinen Rudolf. Während sie auf Korfu und Madeira weilt, erhält der Kronprinz ab dem dritten Lebensjahr Unterricht in Religion, Tschechisch und Ungarisch, Rechnen und Schreiben. Außerdem muss er exerzieren, reiten, schießen. Rudolf ist kränklich, nervös. Darum wird, als er sechs ist, ein Generalmajor als Erzieher bestellt. Der verordnet Kaltwassergüsse und nächtliches Erschrecken mit Pistolenschüssen - zur Abhärtung. Jetzt greift Elisabeth ein: Sie setzt durch, dass ihr Sohn andere, liberale Lehrer erhält - darunter auch Juden.
Tatsächlich entwickelt sich Rudolf zu einem ungewöhnlichen Thronfolger: Er hängt revolutionären Ideen an, träumt davon, eher Präsident einer Republik als Monarch zu sein. Den Einfluss der Kirche auf den Staat lehnt er ab. Als 1883 ein Gesetz im Vielvölkerstaat Juden und Protestanten den Zugang zum Schuldienst verweigert, protestiert Rudolf: "Der Staat muss alle Konfessionen gleich behandeln. Durch ein Mächtigwerden der katholischen Hierarchie hat uns bis jetzt immer nur Unglück geblüht." Kaiser Franz-Josef reagiert auf solche Ansichten, indem er seinen Sohn systematisch von jeder politischen Verantwortung fern hält. Statt dessen darf er schreiben - aber nur anonym veröffentlichen - und mit dem Tierforscher Alfred Brehm ausgedehnte Forschungsreisen unternehmen. Rudolfs Lieblingsthema: Vögel.
1881 heiratet der 27-Jährige die belgische Prinzessin Stephanie. Seine anfängliche Liebe zu seiner Frau hält Rudolf nicht von außerehelichen Affären ab. Er infiziert Stephanie mit einer Geschlechtskrankheit, so dass sie nach der ersten Tochter keine Kinder mehr bekommen kann. 1888 verliebt sich Rudolf in eine 17-Jährige, die Ungarin Mary Vetsera. Über die Beziehung der beiden weiß man nichts - der Wiener Hof lässt später alle Briefe vernichten. Denn die Affäre endet in einer Katastrophe: Am Morgen des 30. Januar 1889 findet man Rudolf und Mary tot im privaten Jagdschloss Mayerling. Beide haben Schusswunden im Kopf. Wahrscheinlich hat der Kronprinz Selbstmord verübt und seine Geliebte mit in den Tod genommen. Aber wirklich geklärt wurde der Fall nie. Der Wiener Hof veröffentlichte fast nichts - so gibt es bis heute Spekulationen, die von Unfall bis zum politischen Mord reichen. Kaiser Franz-Josef steht jedenfalls wieder ohne direkten Erben da. Deshalb wird Erzherzog Franz Ferdinand Este zum Thronfolger bestimmt. Das Attentat auf ihn und seine Frau löst 1914 den Ersten Weltkrieg aus.
Stand: 21.08.08