Es ist die Nacht zum 3. Juli 1953. Hermann Buhl liegt in seinem Schlafsack im Hochlager 5 am Ende des westlichen Himalaya in 6.900 Meter Höhe und macht sich Gedanken. Über ihm erhebt sich der Gipfel des Nanga Parbat, der "nackten Göttin", und Buhl will ihn als erster Mensch der Welt bezwingen. Um zwei Uhr nachts bricht Buhl auf, spurt sich mit Skistöcken seinen Weg durch den tiefen Schnee. Sein Kamerad Otto Kemper kann nicht mehr Schritt halten. 14 Stunden braucht Buhl bis zum Gipfel, völlig entkräftet kriecht er die letzten Meter auf allen Vieren nach oben. Dann hat er es geschafft. Er steht in 8.125 Metern Höhe, ohne Sauerstoffgerät und High-Tech-Ausrüstung - eine der größten Leistungen der Bergsportgeschichte.
Buhl wird 1924 in Innsbruck geboren. Schon als 14-Jähriger klettert er am Wäschestrick durch die heimischen Felsen. Später unternimmt er die schwersten Routen in den Alpen und den Dolomiten. Mit seinen zügigen Alleingängen setzt er im Bergsport neue Maßstäbe, die Extrembergsteigern wie Reinhold Messner als Vorbild dienen. Die Erstbesteigung des Nanga Parbat aber wird sein Meisterstück.
Die Bezwingung der "nackten Göttin" macht Buhl zum Weltstar. Nachdem er sich bei minus 20 Grad nur mit einem Wollpullover bekleidet den Abstieg erkämpft hat, überträgt das Radio live die Ankunft des Helden. Buhl hält Vorträge in ausverkauften Sälen, in Österreich wird er zum Sportler des Jahres gewählt. Dann nimmt er mit dem Broad Peak in Pakistan seinen zweiten Achttausender ins Visier. Aber er ist schlecht in Form und erreicht unter Mühen als letzter seiner Gruppe den Gipfel. Nur mit einem Begleiter und wenig Gepäck will Buhl anschließend auch den nahe gelegenen Chogliosa, ein Siebentausender, bezwingen. Er gerät am 27. Juni 1957 in einen Wettersturz, stürzt mit einer Schneewand in die Tiefe und bleibt verschollen.
Stand: 27.06.07