Mit 18 Jahren SED-Mitglied, Marxismus-Studium, Partei-Funktionär - Rudolf Bahro ist Anfang der 1960er Jahre ein linientreuer DDR-Kommunist. Seine enge Bindung an die Partei erklärt Bahro später als eine Form des Mutterersatzes. "Die Suche nach Liebe ist sozusagen meine psychologische Schwachstelle", sagt er 1995. Er macht ein traumatisches Kindheitserlebnis dafür verantwortlich, dass Liebe und Erlösung seine Lebensthemen sind. Der am 18. November 1935 geborene Bahro wird während einer Evakuierung im letzten Kriegsjahr von seiner Mutter getrennt. Er sieht sie nie wieder. Nach langer Irrfahrt findet Rudolf seinen Vater und lebt bis 1954 bei ihm. Dann geht er nach Ost-Berlin und studiert an der Humboldt-Universität Philosophie. Er liest Marx, Engels, Lenin und Mao. Doch lesen allein genügt Bahro nicht. Bei einem Arbeitseinsatz ist er der Eifrigste, wie sich Schriftsteller Volker Braun erinnert: "Er übertrieb mit seinem Arbeitselan so weit, dass er nicht warten wollte, bis die Lokomotive die Lore fortzog, sondern wollte sie eigenhändig bewegen."
Als Bahro 1967 das Theaterstück "Kipper Paul Bauch" von Volker Braun in der FDJ-Studentenzeitschrift "Forum" abdruckt, gerät er ins Visier der SED-Führung. Das Stück wendet sich gegen Sattheit und Selbstzufriedenheit beim Aufbau der neuen Gesellschaftsordnung. Bahro verliert seinen Job als stellvertretender Chefredakteur: "Dort erst habe ich gesehen, dass das Schwindel ist mit der Herrschaft der Arbeiterklasse im Arbeiter- und Bauernstaat." Als 1968 der Prager Frühling aufblüht, ist Bahro begeistert. Doch russische Panzer stoppen die Reformen in der Tschechoslowakei. "Das war die Stunde des Hasses gewesen", sagt Bahro später. Er schreibt seine Abrechnung, die 1977 unter dem Titel "Die Alternative - Zur Kritik des realexistierenden Sozialismus" im Westen erscheint. Dafür wird der Dissident zu acht Jahren Haft verurteilt. Doch nach anderthalb Jahren wird er aus dem Zuchthaus Bautzen entlassen und reist in die Bundesrepublik aus.
Bahro ist 1980 Gründungsmitglied der Grünen. Bald kehrt er aber der Politik den Rücken und taucht ins Spirituelle ab. Er pilgert zu Bhagwan und wandelt sich zum esoterischen Guru. 1987 veröffentlicht er das Buch "Logik der Rettung - Wer kann die Apokalypse aufhalten?", das ohne große Resonanz bleibt. Bahro schwärmt von einem "Fürsten der ökologischen Wende", ein bisschen "Ökodiktatur" sei angebracht: "Kein Gedanke verwerflicher als ein neues anderes 1933?" Als erste deutsche Volksbewegung seit den Nazis müsse die Ökopax-Bewegung "Hitler miterlösen". Nach der Wende geht Bahro in die DDR zurück und hält Vorlesungen an der Humboldt-Universität. In einem Interview sagt er 1990: "Eigentlich ruft es in der Volkstiefe nach einem grünen Adolf." In sächsischen Pommritz gründet er eine landwirtschaftliche Kommune als Keimzelle einer neuen Gesellschaft. Bahro erkrankt an Blutkrebs und stirbt am 5. Dezember 1997 in Berlin.
Stand: 05.12.07