Stichtag

08. März 2007 - Vor 120 Jahren: Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein stirbt

Als sie sich kennen lernen, ist er 35 Jahre alt: Franz Liszt ist einer der prominentesten Pianisten seiner Zeit. Er reist rastlos von Konzert zu Konzert und hat zahlreiche Affären mit Verehrerinnen. Carolyne Iwanowska ist 28: Eine reiche polnische Landadelige, die unglücklich mit Nikolaus von Sayn-Wittgenstein, einem russischen Rittmeister deutscher Herkunft, verheiratet ist. Die Fürstin und der Musiker treffen sich im Februar 1847 in Kiew. Er gibt ein Benefizkonzert für Bedürftige - Carolyne zahlt 100 Rubel für ihre Karte. Er sucht sie daraufhin in ihrem Hotel auf, um sich zu bedanken. Das ist der Anfang ihrer Liebe.

Carolyne verkauft ihr Gut in der Ukraine und reist mit einer Million Rubel sowie ihrer kleinen Tochter zu Liszt. Er gibt seine Karriere als Klaviervirtuose auf und widmet sich ganz dem Komponieren und Dirigieren. Gemeinsam leben sie in der "Altenburg", einem großbügerlichen Haus in Weimar, wo Liszt als Hofkapellmeister engagiert worden ist. Carolyne wird seine Muse: "Genie hat ihm nie gefehlt - aber Sitzfleisch und Fleiß, Arbeitsausdauer", stellt sie fest. "Man muss bei ihm mit einer Arbeit sitzen, solang man will, dass er selbst arbeitet." Die entstehenden Kompositionen sind eine Art Gemeinschaftwerk: "Er hat komponiert, aber die wesentlichen Anregungen sind mit von ihr gekommen", sagt Liszt-Forscher Detlef Altenburg. Franz Liszt nennt sich selbst den "Sclavissimo" der Fürstin, die eisern Regie in seinem Leben führt. Zusammen geben die beiden Sonntagsmatineen, zu deren Gästen unter anderem Richard Wagner, Hector Berlioz, Bedrich Smetana und Johannes Brahms zählen.

Doch die Idylle trügt: Liszt und die Fürstin werden gesellschaftlich geächtet. Weil sie nicht verheiratet sind, meidet sie die Weimarer Hofgesellschaft. Carolynes Ehemann Nikolaus sträubt sich aus finanziellen Gründen gegen die Annulierung ihrer kirchlichen Eheschließung. Beide sind tief fromme Katholiken. Im Mai 1860 reist Carolyne aus Weimar ab. Ihr Ziel ist Rom. Dort will sie vom Papst die Anerkennung ihrer Scheidung erlangen. Die Heirat soll an Listzts 50. Geburtstag im Oktober 1961 in Rom stattfinden. Doch unmittelbar vorher trifft das Verbot ein, das die Familie des Fürsten erwirkt hat.Daraufhin resignieren die beiden Liebenden: Liszt wird Geistlicher, empfängt die "niederen Weihen" und wohnt vorübergehend in einem römischen Kloster. Die Fürstin lebt noch über 25 Jahre zurückgezogen in der Via Babuino in Rom, betreibt theologische Studien und empfängt Besuche. Sie stirbt am 8. März 1887 im Alter von 68 Jahren - nur acht Monate nach dem Tod von Liszt im Juli 1886. An ihrem Sarg erklingt, wie sie es wünschte, das "Requiem" ihres Freundes Abbé Franz Liszt, der ihr einmal schrieb: "Ohne diese Liebe ist weder Erde noch Himmel für mich begehrenswert."

Stand: 08.03.07