Am 27. November 1095 geht im französischen Clermont ein kirchliches Konzil zu Ende. Zum Abschluss hält Papst Urban II. eine öffentliche Ansprache, die als Sensation empfunden wird: Der Papst ruft zu einer "bewaffneten Pilgerfahrt" ins Heilige Land auf. Christliche Ritter sollen mit Gewalt die heiligen Stätten in Jerusalem den "Ungläubigen", also den Muslimen entreißen.Urban begründet seinen Aufruf mit der Zerstörung der Grabeskirche unter dem muslimischen Herrscher al-Haakim im Jahre 1009. Ein schwaches Argument: Die Kirche wurde inzwischen wieder aufgebaut und christliche Pilgerfahrten erlauben die Muslime durchaus. In Wahrheit vermischen sich kirchliche und außenpolitische Ziele in Urbans Aufruf. Der Papst stammt aus dem französischen Reformkloster Cluny. Er will die Kirche aus der Vorherrschaft des deutschen Kaisers befreien, mit dem die Päpste seit langem in Streit liegen. Es gibt sogar einen kaiserfreundlichen Gegenpapst Klemens III. Mit dem Aufruf zum Kreuzzug kann sich der römische Papst politisch profilieren. Außerdem hat ihn ein Hilferuf des Kaisers von Konstantinopel erreicht. Die türkischen Seldschuken haben große Teile des christlichen byzantinischen Reiches in Kleinasien erobert. Muslime besetzen auch immer noch große Teile von Spanien und Sizilien. Die Kreuzzüge sollen eine Gegenoffensive sein. Krieg gegen die muslimische Weltmacht - das sei besser als die ständigen Fehden zwischen den christlichen Fürsten.Pogrome am Rhein und in JerusalemWanderprediger bringen Urbans Aufruf in den folgenden Monaten schnell unters Volk. Im März 1096 brechen die ersten Heere nach Osten auf. Ihr Schlachtruf lautet: "Gott will es!" Es sind nicht nur Ritter unter adeliger Führung, sondern auch improvisierte Volkstruppen. Schließlich hat der Papst allen Kreuzzüglern vollkommenen Ablass versprochen, Vergebung aller ihrer Sündenstrafen. Der Kreuzzug bringt das Himmelreich. Und vielleicht bringt er zuvor noch weltlichen Reichtum dazu. Frömmigkeit und Abenteuerlust, die Armut zu Hause, Beutegier und religiöser Fanatismus: Die Motive der Kreuzfahrer sind sehr gemischt.
Der "Volkskreuzzug" erreicht den Nahen Osten nie. Auf seinem Weg beginnen einige schon im Rheinland mit dem Krieg gegen "Ungläubige": Sie ermorden jüdische Frauen, Männer und Kinder in den großen Gemeinden von Worms, Mainz und Speyer. Später werden die plündernden Gruppen auf dem Balkan und in Kleinasien vernichtend geschlagen. Das Ritterheer dagegen erobert im Juli 1099 Jerusalem und richtet ein Blutbad unter der muslimischen und jüdischen Bevölkerung an. "Die Franken", wie die Westeuropäer hier alle genannt werden, errichten Burgen und Kleinstaaten in der Region. Die Kämpfe zwischen arabischen und türkischen muslimischen Herrschern ermöglichen ihnen eine Zeit lang, diese Kolonien zu halten. Über 200 Jahre werden die Kreuzzugskriege dauern, dann sind die Franken wieder vertrieben. 1453 fällt auch Konstantinopel an die Osmanen. Urbans Aufruf ist gescheitert.
Stand: 15.03.06