Die letzte Nachricht an seinen Chef und Duzfreund Hermann Göring schreibt er mit roter Kreide an die Stirnwand seines Bettes: "Eiserner, Du hast mich verlassen!" Wenig später erschießt sich Generaloberst Ernst Udet am 17. November 1941 in seiner Berliner Wohnung. Doch sein Suizid wird vertuscht. Das Deutsche Nachrichtenbüro (DNB), die Nachrichtenagentur der Nazis, meldet, Udet habe "bei der Erprobung einer neuen Waffe" einen tödlichen Unfall erlitten. Adolf Hitler ordnet ein Staatsbegräbnis für die Fliegerlegende an.
Im Ehrensaal des Luftfahrtministeriums spricht Reichsmarschall Hermann Göring zur versammelten Nazi-Prominenz: "Deine Verdienste zu nennen, ist nicht meine Aufgabe. Denn durch deine Tat bist du unsterblich für uns. Du wirst immer zu Deutschlands größten Helden zählen." Er wird auf dem Berliner Invalidenfriedhof neben Manfred von Richthofen beigesetzt. Der am 26. April 1896 in Frankfurt am Main geborene Udet ist im Ersten Weltkrieg mit 62 Abschüssen hinter von Richthofen der zweiterfolgreichste Jagdflieger gewesen.
"Auch mal mit dem Teufel paktieren"
Die Todesnachricht erreicht auch den Dramatiker Carl Zuckmayer, der in den USA im Exil lebt. Dass sein alter Freund Udet - wie offiziell behauptet wird - "in Erfüllung seiner Pflicht dahingegangen" sei, mag er nicht glauben. Denn bei ihrem letzten Treffen hat ihm Udet 1936 geraten: "Schüttle den Staub dieses Landes von Deinen Schultern. Hier gibt es keine Menschenwürde mehr." Der Flugzeugnarr selbst lässt sich jedoch weiter als Idol der Massen von den Nazis einspannen. Udets Begründung: "Man muss um der Fliegerei willen auch mal mit dem Teufel paktieren. Man darf sich nur nicht von ihm fressen lassen."
Seine Zweifel an der offiziellen Todesversion inspirieren Zuckmayer zu seinem Drama "Des Teufels General". Die Figur des Generals Harras, in der späteren Verfilmung von Curd Jürgens gespielt, ist an Udet angelehnt. In Zuckmayers Deutung ist Udet ein schuldbewusster Nazi-Karrierist, der durch seinen Selbstmord im Sturzkampfbomber eine Widerstandsorganisation und ihre Sabotageakte deckt. So recht Zuckmayer mit seiner Selbstmord-Vermutung hat, Udets Werdegang verläuft in vielen Punkten anders als der von General Harras.
Todesschuss durchs Telefon hörbar
Udet tritt bereits im Frühjahr 1933 in die NSDAP ein und beschwichtigt während eines USA-Besuchs die Journalisten: "Der deutsche Jude, der sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert und ein guter Staatsbürger ist, wird nicht belästigt." Udet wird von Göring ins Amt des "Generalluftzeugmeisters" gedrängt. Doch als Manager für Luftrüstung ist Udet eine Fehlbesetzung. Er versucht vergeblich, einen bürokratischen Apparat von 4.000 Mitarbeitern zu dirigieren. Göring lässt ihn fallen. Udet steigert seinen Alkoholkonsum und verzweifelt: "Ich hab die Schnauze voll, der Krieg ist sowieso verloren", sagt er Richard Perlia, einem seiner Testpiloten.
Am 17. November 1941 ruft Udet um neun Uhr morgens ein letztes Mal seine Freundin an. Durchs Telefon hört Inge Bleyle den tödlichen Schuss. 1963 zieht Zuckmayer sein Theaterstück vorübergehend aus dem Verkehr. Es könne, so die Begründung des Dramatikers, als "Entschuldigung eines gewissen Mitmachertyps" missverstanden werden.
Stand: 17.11.2006