Die Idee ist alt: Ein Luftgefährt, das keine Start- und Landebahn benötigt, sondern senkrecht in die Luft abhebt und punktgenau landen kann. Schon 1490 macht sich Leonardo da Vinci Gedanken dazu. Doch es bleibt beim Entwurf, auch die Experimente seiner Nachfolger scheitern. Erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts kommt der Spanier Juan de la Cierva einer Lösung nahe: Er baut einen so genannten Tragschrauber, den Auto-Giro - eine Mischung aus Flugzeug und Hubschrauber. Seit Anfang der 30er Jahre fertigt der deutsche Flugzeugbauer Henrich Focke in seinem Bremer Werk de la Ciervas Tragschrauber in Lizenz. Da der Auto-Giro jedoch nicht senkrecht starten und auf der Stelle schweben kann, widmet sich Focke dem Problem.Fockes Konstruktion heißt F-61 und sieht völlig anders aus als heutige Hubschrauber: ein Flugzeugrumpf mit einem Stummelpropeller vorn, links und rechts statt Tragflächen verstrebte Ausleger, auf denen sich windmühlengroße Rotoren drehen. Am 26. Juni 1936 hebt die F-61 zum ersten Mal senkrecht ab - für ganze 28 Sekunden. Doch noch am gleichen Tag fliegt der Hubschrauber 16 Minuten lang. Ein Jahr später bricht die F-61 sämtliche Rekorde für Drehflügler. Hermann Göring, damals Oberbefehlshaber der Luftwaffe, startet daraufhin eine Werbekampagne. Die Nationalsozialisten machen Fockes Helikopter zum Symbol für die angebliche Überlegenheit deutscher Ingenieurskunst. Die Vorzeige-Pilotin der Nazis, Hannah Reitsch, führt den Hubschrauber erstmals der Fachwelt vor. Einer der Gäste bei den Bremer Focke-Werken ist Atlantik-Flieger Charles Lindbergh: "Das war der größte Eindruck meines fliegerischen Lebens, eine junge Dame senkrecht starten und landen zu sehen." Der F-61 wird überall vorgeführt, auf dem Nürnberger Parteitag ist er die Attraktion ebenso wie bei Erntedankfesten. Auf der Berliner Kolonialschau führt Hannah Reitsch den Hubschrauber drei Wochen lang als Höhepunkt des Abends vor - in der geschlossenen Deutschlandhalle. Der krönende Abschluss der Vorführung: Unter der Hallendecke schwebend erhebt sich Reitsch in der offenen Pilotenkanzel zum Hitlergruß.
Focke entwickelt seinen Hubschrauber mit Hochdruck weiter, vor allem für den Kriegseinsatz. Doch bis 1945 kommen nur wenige Exemplare an die Front. Die komplizierte Konstruktion taugt nicht zur Wunderwaffe. Noch nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich der Hubschrauber schnell zu einer eigenen Flugzeug-Gattung. Er wird eingesetzt im Rettungsdienst, zur Verkehrsüberwachung, zur Kontrolle von Pipelines, für Luftaufnahmen - und beim Militär. Im Vietnamkrieg wird die Silhouette des amerikanischen Bell UH1-D zum Symbol des Dschungelkrieges. Zu diesem Zeitpunkt sehen die meisten Hubschraubermodelle bereits so aus wie heute, mit einem Hauptrotor oben und einem seitlichen Ausgleichsrotor am Heck. Focke kann sich mit seinem Doppelrotor nicht durchsetzen.
Stand: 26.06.06