Stichtag

13. Mai 2006 - Vor 25 Jahren: Attentat auf Papst Johannes Paul II.

Rom, Petersplatz, 13. Mai 1981: Zur Generalaudienz von Papst Johannes Paul II. sind Zehntausende gekommen. Alle schauen auf den Papst, der langsam durch die Reihen der Gläubigen fährt, immer wieder Hände schüttelt, Kinder segnet. Niemand achtet auf zwei junge Männer aus der Türkei. Gegen 17.20 Uhr feuert der 23 Jahre alte Ali Agca mit einer Pistole mindestens zweimal auf das Oberhaupt der katholischen Kirche. Leibwächter der Schweizer Garde werfen sich zum Schutz über den schwer verletzten Papst. Der weiße Jeep jagt mit Höchstgeschwindigkeit durch die Menge. Johannes Paul II. betet, rechnet mit dem Tod, fleht zur Jungfrau Maria. Verzweifelt, so Augen- und Ohrenzeugen, bittet er die Gottesmutter, sein Leben zu retten. Derweil werden die beiden mutmaßlichen Attentäter von der italienischen Polizei überwältigt. Sowohl der Schütze Ali Agcar als auch sein Komplize Oral Celik leisten keine Gegenwehr. In der römischen Gemelli-Klinik kämpfen die Ärzte um das Leben des Papstes. Eine der Kugeln hat ein Stück des Darms zerfetzt.

Der Papst überlebt und ist überzeugt, dass sein Bitten und Flehen zur Jungfrau Maria ihn gerettet haben: "Es war so, als hätte eine Hand diese Kugeln gelenkt und eine andere sie umgelenkt." Johannes Paul II. startet eine große Kampagne zur Förderung der Marienfrömmigkeit. Er pilgert zum portugiesischen Wallfahrtsort Fatima und weiht die Kugeln, die ihn nicht zu töten vermochten, der Gottesmutter. Sie werden in die Krone der Madonna von Fatima eingesetzt. Später auf dem Weißen Berg in Jazna Gora, Polens zentralem Heiligtum, weiht er sein blutiges Gewand der Schwarzen Madonna von Tschenstochau.

Hintergründe bis heute unklar

Über die Hintergründe des Anschlags gibt es viele Vermutungen und Gerüchte, doch kaum handfeste Beweise. Eine Version formuliert der italienische Generalsstaatsanwalt Albano: Moskau habe Johannes Paul II. liquidieren wollen, um die Opposition im Ostblock zu schwächen. Der bulgarische Geheimdienst habe im Auftrag Moskaus Ali Agca angeheuert. Doch der damalige türkische Militärstaatsanwalt, Refik Karaa, der lange gegen Agcar ermittelte, sieht das völlig anders: "Trotz der Beteuerungen Agcas, er sei Alleintäter gewesen, hatten wir Zeugenaussagen und Beweise, die genau belegten, dass er im Auftrage rechtsextremistischer Organisationen den Mord begangen hatte." Agca gehörte dem militärischen Arm der rechtsextremen "Grauen Wölfe" an. Er war ein türkischer Faschist und Mörder, der bereits 1979 den Chefredakteur der linksliberalen Zeitung Milliyet, Abdi Ipekci, umgebracht hatte. Offenbar mit Hilfe von Gesinnungsgenossen aus der Haft geflohen und in Abwesenheit zu Tode verurteilt, taucht er nach seinem ersten Mord scheinbar mühelos unter.Noch im gleichen Jahr kündigt er in einem Brief den Anschlag auf den Papst an: "Ich werde diesen religiösen Führer, (...) den getarnten Kommandanten der Kreuzritter, umbringen". Über seine Hintermänner schweigt sich Agca nach dem Attentat aus. Doch Johannes Paul II. besucht ihn in seiner Gefängniszelle und verzeiht ihm öffentlich - ein Filmteam hält jedes Detail der Inszenierung im Bild fest. Offiziell gilt Agca für den Vatikan als Alleintäter. Im Jahr 2000 wird er auf Wunsch von Johannes Paul II. begnadigt und in die Türkei abgeschoben. Dort wird er wegen Mordes in Haft genommen und nach nur sechs Jahren überraschend entlassen. Die Öffentlichkeit ist empört, die türkische Regierung veranlasst eine erneute Inhaftierung.

Stand: 13.05.06