Stichtag

26. Juli 2006 - Vor 150 Jahren: George Bernard Shaw wird geboren

"Es ist gefährlich für einen Politiker, die Wahrheit zu sagen - die Leute könnten sich daran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen." Solche bissigen Bonmots begründen den Ruf des irischen Schriftstellers George Bernard Shaw als geistreicher und scharfzüngiger Spötter. Er ist Kritiker, Stückeschreiber, Autor sozialistischer Abhandlungen, Redner und später auch noch Ratsherr - ein Arbeitspensum, das Shaw seiner Meinung nach nur schafft, weil er Vegetarier ist, ausschließlich Kleidung aus Wolle trägt, nicht raucht und keinen Alkohol trinkt. Seine These: "Um glücklich zu sein, muss man mit dem, was man mag, sich so intensiv beschäftigen, dass man keine Zeit mehr hat, sich zu fragen, ob man glücklich ist oder nicht."


Geboren wird George Bernard Shaw in Dublin am 26. Juli 1856. Mutter Lucinda hatte sich durch die Heirat in die protestantisch-adelige Shaw-Sippe den sozialen Aufstieg erhofft. Aber ihr Mann George Carr Shaw entpuppt sich als Säufer und Bankrotteur. "Meine Mutter war von meinem Vater so enttäuscht, dass sie ihre ganze Zuneigung auf meine Schwestern konzentrierte und es mir überließ, für mich selbst zu sorgen." George Bernard bringt sich selbst bei, was ihn interessiert: Literatur und Musik. Mit 22 Jahren zieht er nach London. Er möchte trotz miserabler Startbedingungen "ein professionelles Genie werden": keine Allgemeinbildung, ungeheuer schüchtern und so arm, dass er acht Jahre lang die gleichen Kleider trägt.

Trotzdem beißt er sich durch, ackert den Buchbestand des Britischen Museums durch und macht sich allmählich als Kunst-, Literatur- und Musikkritiker einen Namen, anfangs unter dem Pseudonym Corno di Bassetto. Bald wird der rotbärtige Shaw für seinen polemischen Witz gefürchtet: "Der Bassist brüllte, der Tenor heulte, der Bariton detonierte, und wenn die Sopranistin sich überhaupt herabließ zu singen, statt ihren Text bloß herauszuschreien, dann kreischte sie." Zwischen 1892 und 1894 entstehen die ersten vier seiner erfolgreichen Theaterstücke: "Die Häuser des Herrn Satorius", "Frau Warrens Gewerbe", "Helden" und "Candida".

Shaw ist leidenschaftlicher Sozialist. Er schließt sich der "Fabian Society", den Fabianern, an, die nicht wie Karl Marx den revolutionären Umsturz wollen, sondern Umerziehung und Reform. Später gibt Shaw den Anstoß für das Gründungsprogramm der Labour Party. Der Vielbeschäftigte findet auch noch Zeit für eine Reihe leidenschaftlicher Liebschaften. Shaw umwirbt seine Geliebten - oft bekannte Schauspielerinnen - bis sie eine feste Beziehung wollen, dann setzt er sich ab. Bis er auf eine Frau trifft, die dieses Spiel in umgekehrter Rollenverteilung spielt: Charlotte Payne-Townsend, eine reiche irische Witwe, die er heiratet.

Mit den Jahren wird Shaw weltberühmt durch seine Theaterstücke wie "Cäsar und Cleopatra", "Major Barbara", "Haus Herzenstod" oder "Die Heilige Johanna". Immer wieder geht es darin um Krieg, Geschlechterkampf, kapitalistische Ausbeutung, verlogene Politik - die Bühne als moralische Anstalt und der Autor als Erzieher. 1925 wird Shaw mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Er stirbt im Alter von 94 Jahren am 2. November 1950: "Ich wünschte ein Shakespeare zu werden und wurde ein Shaw."

Stand: 26.07.06