Stichtag

13. März 2005 - Vor 15 Jahren: Tod des umstrittenen Kinderpsychologen Bruno Bettelheim

"Man kann nicht sagen, dass es Zuhause bei mir jemanden gegeben hätte, der tatsächlich hätte wissen wollen, was ich empfand", sagt Linda. Sie ist eines der Kinder, die in den 1940er Jahren in die Orthogenic School - eine Art Kinderheim - bei Chicago gebracht werden: vernachlässigt, missbraucht, drogenabhängig. Der Psychotherapeut Bruno Bettelheim empfängt sie mit offenen Armen: "Jedes dieser Kinder muss als Individuum betrachtet werden und die Behandlung muss den Nötigungen dieses Individuums gerecht werden." Sein Grundprinzip ist, "jedem das zu geben, was er im Moment am meisten braucht". Durch eine "totale Zuwendung" sollen die Kinder das Vertrauen zu sich selbst und zu anderen aufbauen.Der Antrieb für seine Arbeit liegt in Bruno Bettelheims eigener Geschichte. Er wird am 25. August 1903 in Wien als Sohn einer großbürgerlichen Familie geboren. Er studiert  Philosophie und Psychologie. 1932 nehmen er und seine erste Frau Gina ein autistisches Kind aus Amerika bei sich auf. Das Kind ist der Grund für Bettelheims Ausbildung zum Psychotherapeuten. 1938 wird er verhaftet und kommt wegen seiner jüdischen Abstammung in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald. Nach zehn Monaten darf er in die USA emigrieren. "Man fragt sich dann immer: warum ich? Warum habe ich das überlebt? Da bleibt ein Schuldgefühl zurück", sagt Bettelheim. Er habe dieses Trauma durch seinen Einsatz für die Kinder verarbeitet - und so "einen großen Prozentsatz von ihnen zum Leben" zurückgeführt.

1974 gibt Bettelheim - nach knapp 30 Jahren - die Leitung der Einrichtung ab und schreibt Bücher. Sein bekanntestes Werk heißt "Kinder brauchen Märchen". Es geht für ihn um die Befriedigung des kindlichen Gerechtigkeitsgefühls: "Das Kind erwartet, dass die Bösen sehr böse bestraft und die Guten, Tugendhaften belohnt werden." Die Botschaft: Es kann zwischendurch alles schwierig sein, aber ich komme da durch. Nach dem Tod seiner Frau Trude im Jahr 1984 vereinsamt Bettelheim. Als er nach einem Schlaganfall nicht mehr arbeiten kann, bringt er sich um: Am 13. März 1990 zieht er sich eine Plastiktüte über den Kopf. Nach seinem Tod werfen ihm ehemalige Mitarbeiter und Patienten vor, gewalttätig gewesen zu sein. Der Gegner jeder Körperstrafe soll geprügelt, gedroht und mit der Peitsche bestraft haben. Aus dem angeblichen Kinderfreund wird nach dieser Darstellung "Beno Brutalheim". Eine autoritäre Persönlichkeit mit antiautoritärer Botschaft - so das neue, fatale Bild.


Stand: 13.03.05