10. Februar 2008 - Erster Wahlkampf-Auftritt von Erdoğan in Köln

Stand: 10.02.2018, 00:00 Uhr

Seit Wochen hängen in mehreren deutschen Städten Plakate in türkischer Sprache. Sie kündigen einen Auftritt von Recep Tayyip Erdoğan im Rheinland an. Am 8. Februar 2008 kommen schätzungsweise zwischen 16.000 und 20.000 Menschen in die Köln-Arena. Am Nachmittag unterbricht der türkische Ministerpräsident seinen Staatsbesuch und macht Wahlkampf - eine Premiere für einen türkischen Politiker.

Erdoğan betritt mit seiner Frau die Bühne. Er wird bejubelt. In der Türkei stehen Kommunal- und Parlamentswahlen an. Erdoğan kann erstmals auf Stimmen aus Deutschland hoffen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt zu, dass türkische Staatsbürger in den Konsulaten wählen dürfen. Zuvor war dies aus Sicherheitsgründen verboten.

Erdogan spricht erstmals in der Köln-Arena (am 10.02.2008) WDR 2 Stichtag 10.02.2018 04:00 Min. Verfügbar bis 08.02.2028 WDR 2

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Integration ja, Assimilation nein

Nur wenige Türken hatten bis dahin die Möglichkeit genutzt, kurz in die Türkei zu fliegen, um am Flughafen zu wählen. "Deshalb ist Deutschland auch wahnsinnig wichtig geworden für türkische Politiker", sagt WDR-Redakteurin Ayca Tolun. Rund eineinhalb Millionen türkische Staatsbürger seien "schon ein kleiner Wahlkreis".

Erdoğan spricht sein Publikum als "liebe Schwestern und Brüder" an: "Es genügt, dass wir uns nicht als Fremde, nicht als Gast, nicht als der/die Andere sehen, dass wir uns als ein wesentliches Element dieses Landes betrachten." Es sei wichtig, die deutsche Sprache zu lernen - sagt er auf Türkisch. Integration bedeute aber nicht Anpassung. Assimilation, sagt Erdoğan, sei "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Brandexperten aus der Türkei

"Die Menschen in der Köln-Arena haben immer dann applaudiert, wenn Erdoğan gesagt hat: ' Ihr gehört zu uns, Ihr seid nicht allein'", sagt die türkischstämmige Politikerin Lale Akgün (SPD). "Daraus müssen wir lernen, wir müssen sagen: 'Ihr gehört zu uns und das ist euer Land hier'."

Erdoğan bietet in seiner Rede auch Unterstützung an bei der Aufklärung eines Wohnhausbrandes in Ludwigshafen. Dabei waren wenige Tage vor seinem Auftritt neun türkischstämmige Bewohner gestorben. Die türkische Regierung habe eigene Experten an den Brandort entsandt, um die Ermittlungen der Brandursache zu begleiten, teilt Erdoğan mit.

Protest vor der Halle

In der Veranstaltung rühmt der Ministerpräsident die Wirtschaftskraft der Türkei und spricht von Erfolgen in der Gesundheitspolitik und beim Wohnungsbau. "Die Türkei hat keine andere Alternative als die Vollmitgliedschaft in der EU", betont er.

Vor der Köln-Arena protestieren währenddessen einige hundert Kurden gegen "die türkischen Verbrechen" und skandieren "Erdoğan Terrorist".

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