Melissa ist jung, schön und ziemlich schnell tot. Gerade einmal sieben Minuten dauert Ruth Maria Kubitscheks Auftritt als Titelheldin des Francis-Durbridge-Krimis von 1966. Dann wird sie ermordet und geistert fortan als mysteriöse Leiche durch den legendären TV-Dreiteiler. Mehr als 80 Prozent der deutschen Zuschauer verfolgen damals die Mörderjagd, die Ruth Maria Kubitschek auf Anhieb enorme Popularität verschafft.
Mit Sex-Appeal und der lässigen Noblesse einer Upper-Class-Lady spielt sie sich in die erste Garde der deutschen Fernsehfrauen. Taucht ein "von" im Rollennamen auf, geht es um Geld und Macht, dann ist Ruth Maria Kubitschek die Idealbesetzung. Vor allem in den Kultserien von Helmut Dietl gibt sie überzeugend die Grande Dame vom Dienst. Als versnobte Frau von Soettingen an der Seite von Helmut Fischer in "Monaco Franze" und als Verlegerin Friederike von Unruh in der Schickeria-Satire "Kir Royal" kann sie auch ihr komödiantisches Talent ausspielen.
Karriere-Neustart in der Bundesrepublik
Eigentlich sei sie ganz einfach gestrickt, sagt die am 2. August 1931 im böhmischen Komotau geborene Schauspielerin. "Ich bin eher eine Bäuerin, ein natürlicher Mensch. Aber gerade das macht die Damen, die ich spiele, so prall." Das Bäuerliche kennt Ruth Maria Kubitschek aus eigenem Erleben. 1944 muss sie mit den Eltern aus dem Sudetenland fliehen. In Köthen (Anhalt) übernimmt ihr gehbehinderter Vater einen Hof, den er mit Unterstützung seiner Tochter bewirtschaftet. Dafür bekommt Ruth das Versprechen, Schauspielerin werden zu dürfen. Mit 16 geht sie an die Theater-Hochschule in Halle und gibt keine zwei Jahre später in Brechts "Puntila und sein Knecht Matti" ihr Bühnendebüt. Bald zählt sie zu den gefeierten Nachwuchsstars der DDR und steht in großen DEFA-Filmen vor der Kamera.
1953 heiratet Ruth Maria Kubitschek den Regisseur und späteren Opern-Impresario Götz Friedrich. Nach einem Theater-Gastspiel 1959 in Celle entschließt sie sich, mit ihrem kleinen Sohn in der Bundesrepublik zu bleiben. Ihre Ehe wird drei Jahre später geschieden. Auch im Westen nimmt Kubitscheks Karriere schnell Fahrt auf. Fritz Kortner holt die Charaktermimin an die Münchener Kammerspiele und mit Heinz Rühmann dreht sie fürs Kino. Alles läuft bestens für Ruth Maria Kubitschek – bis sie die Titelrolle in "Melissa" annimmt: "Die Kammerspiele waren dann wieder verschlossen, weil ich nun ein populärer Star war und auf die schaute man am Theater mit Verachtung.“
Bücher schreiben am Bodensee
Lange bleiben verlockende Engagements aus und privat gerät Ruth Maria Kubitschek durch eine gescheiterte Liebe in eine tiefe Krise. "In dieser Zeit habe ich angefangen zu malen. Das hat mir sehr geholfen", erzählt die Schauspielerin. Auch die neue Freundschaft mit dem kernigen "Traumschiff"-Produzenten Wolfgang Rademann hilft ihr über die schweren Jahre hinweg. Als ihr Helmut Dietl mit der Rolle der Annette von Soettingen, dem "Spatzl" des ewigen Stenz Monaco Franze, ein großes Comeback verschafft, ist Kubitschek bereits über 50 – und die besten Jahre liegen vor ihr. Es folgen die TV-Hits "Kir Royal" und "Das Erbe der Guldenburgs", wo sie als biestige Brauereibesitzerin Margot Balbeck brilliert. "Diese Rollen", gesteht sie, "haben mir großen Spaß gemacht. Da war ich vielleicht auch im richtigen Alter."
In ihrer Schweizer Wahlheimat am Bodensee entdeckt Ruth Maria Kubitschek neben dem Malen auch ihre Liebe zum Schreiben. Zwölf Romane, Sach- und Märchenbücher, die um Meditation und esoterische Themen kreisen, hat sie mittlerweile veröffentlicht. 2013 gelingt ihr als alte, unternehmungslustige "Frau Ella" an der Seite von Matthias Schweighöfer noch einmal ein Kinoerfolg mit über einer Million Besuchern. Danach verkündet Kubitschek ihren endgültigen Rückzug ins Privatleben: "Ich will nicht mehr warten, bis es irgendeinem Produzenten oder Regisseur einfällt, mich zu besetzen. Nun ist es zu spät.“
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