Das Alpenpanorama könnte sich nicht malerischer präsentieren an diesem heißen Sommertag. Journalisten aus aller Welt sind angereist, die Wochenschaukameras laufen und der österreichische Rundfunk sendet live, als Salutschüsse der Artillerie durch die Bergwelt hallen. Mit patriotischem Pomp zelebriert das kleine Alpenland, dass es noch immer zu nationalen Großtaten fähig ist.
Nach nur fünf Jahren Bauzeit eröffnet die autoritäre Regierung Österreichs am 3. August 1935 eine Attraktion, die ihresgleichen sucht. Fast 48 Kilometer schmiegt sich die Großglockner-Hochalpenstraße an die Berghänge und überquert vor der prächtigen Kulisse schneebedeckter Gipfel den Alpenhauptkamm. Eine von zwei Stichstraßen führt direkt zum Pasterzengletscher unterhalb des mit 3.798 Metern höchsten Berg des Landes.
Krieg stoppt geplanten Ausbau
Unter den Staatsflaggen auf dem Girlanden geschmückten Festplatz weht auch die Hakenkreuzfahne – ein Politikum ersten Ranges, denn das Nazi-Symbol ist 1935 in Österreich noch verboten. Erst im Vorjahr ist in Wien ein nationalsozialistischer Putsch gescheitert und der austrofaschistische Kanzler Dollfuß ermordet worden. Hitler verhängte danach horrende Ausreisegebühren für deutsche Touristen, um den vom Fremdenverkehr abhängigen Nachbarn unter Druck zu setzen. Weil man es sich aber mit dem Dritten Reich und seinen zahlungskräftigen Touristen nicht verscherzen will, darf die deutsche Delegation ihre Autos zur Eröffnungsfahrt ausnahmsweise mit Hakenkreuzwimpeln schmücken.
Am folgenden Tag kurven erstmals Rennwagen und Krafträder beim Glocknerrennen über die höchste und modernste Alpenstraße. Fast 2.000 Höhenmeter müssen die Fahrer dabei überwinden. Bald folgen ihnen wagemutige Automobilisten, die ihre Karossen durch die 27 Kehren der Erlebnisstraße lenken. Aber statt der erhofften Touristenströme aus Deutschland kommen drei Jahre später Hitlers Soldaten und vollziehen den Anschluss an das Dritte Reich. Der von den Nazis gegen den Willen des österreichischen Alpenvereins geplante Ausbau der Panoramaroute kommt mit dem Kriegsausbruch zum Erliegen. Erst Anfang der 50er-Jahre erwacht die Großglockner-Hochalpenstraße aus ihrem Dornröschenschlaf und beginnt ihre Karriere als Österreichs stärkster Touristenmagnet nach dem Schloss Schönbrunn.
Besuch mit Murmeltier-Garantie
Die Heimatfilm-Welle und die fortschreitende Motorisierung in den Fünfzigern lösen einen wahren Massenansturm deutscher und niederländischer Urlauber auf die Hochalpen aus. Lange schmückt ein Statussymbol des Wirtschaftswunders, der Opel Kapitän, die Mautvignette der Großglocknerstraße. Das "Pickerl" wird hierzulande sogar zum Qualitätssiegel für Gebrauchtwagen: Was den Glockner geschafft hat, muss gut sein. Dabei werden Bremsen und Kupplungen auf den steilen Serpentinen arg strapaziert. Mit mehr als 1,3 Millionen Touristen verzeichnen die Mautstellen 1962 einen Allzeit-Rekord auf der Bergstrecke. Kassiert wird damals noch pro Kopf, nur Kinder unter 1,30 Meter fahren gratis.
Als Transitroute über die Alpen verliert die Großglocknerstraße danach an Bedeutung. Durch den neuen Tunnel der Tauernautobahn geht es bald bedeutend schneller Richtung Süden. Seither konzentriert sich die Großglockner-Hochalpenstraßen AG (GROAG) ganz auf die touristische Präsentation. Neben dem höchstgelegenen Parkhaus Europas am Pasterzengletscher entsteht eine moderne Naturkundeschau samt Bächlein, Hütten, alpiner Geräuschkulisse und künstlichem Gletscher zum Anfassen. Die Hauptattraktion für die heute jährlich bis zu 900.000 Besucher am Großglockner aber bleiben die hochalpine Panoramastraße - und die Murmeltiere. Die Nager haben sich so sehr an Gäste in ihrem Revier gewöhnt, dass die GROAG neuerdings sogar mit einer Murmeltier-Garantie Werbung macht.
Stand: 03.08.2015
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