Stichtag

6. November 15 - Agrippina die Jüngere wird geboren

Iulia Agrippina ist eine Frau, die in der römischen Macho-Männerwelt so gar nicht vorgesehen ist. Laut Tacitus ist sie hinterhältig, dominant und durchtrieben. Und sie scheut aus Machtgelüsten selbst vor Mord und Inzest nicht zurück.

Sicher ist: Agrippina geht über Leichen, wenn es darum geht, ihren Sohn Nero als römischen Kaiser in Stellung zu bringen. Und ebenso sicher ist, dass aus ihrem Geburtsort am Rhein ohne sie wohl nie die Stadt Köln geworden wäre.

Die Blutschande-Taktik

Geboren wird Agrippina die Jüngere vermutlich am 6. November des Jahres 15 nach Christus in der römisch besetzten Germanensiedlung Oppidum Ubiorum. Ihr Vater ist der Feldherr Germanicus, der nach der verheerenden Niederlage der Römer gegen den Cheruskerfürsten Arminius im Teutoburger Wald gerade einen Rachefeldzug gegen die Germanenstämme gestartet hat. Ihre Mutter ist Agrippina die Ältere, ihr Bruder der spätere Kaiser Caligula. Später wird sie Oppidum Ubiorum die Kolonierechte verleihen, was dem Ort kaiserlichen Schutz und den Zuzug römischer Bürger sichert: Grundstein für das spätere Köln, in dem Agrippina als männliche Jungfrau im Dreigestirn bis heute ein karnevaleskes Nachleben führt.

Im Jahr 28 heiratet Agrippina den Konsul Gnaeus Domitius Ahenobarbus, neun Jahre später wird ihr gemeinsamer Sohn Nero geboren. Nach dem Tod ihres Mannes macht sie den Senator Gaius Sallustius Crispus Passienus zu ihrem Gatten, den sie laut der Kaiserchronik des Geschichtsschreibers Sueton vergiftet. Um ihre 49 geschlossene Ehe mit Kaiser Claudius zu legitimieren, muss das Gesetz geändert werden, da dieser ihr Onkel ist. Die "Blutschande" sorgt in der römischen Bevölkerung für einigen Unmut.

Nero schickt Meuchelmörder

Tatsächlich scheint es Agrippina bei der strategischen Heirat vor allem darum zu gehen, ihren Sohn Nero zum Kaiser zu machen. Zunächst überredet sie Claudius zur Adoption, was Nero als Älteren in der Thronfolge noch vor Claudius‘ leiblichem Sohn Britannicus positioniert. Als der Kaiser schließlich bekundet, doch lieber Britannicus als Nachfolger auszuwählen, vergiftet sie laut Tacitus ihren Mann mit Pilzen. Danach stirbt auch Britannicus unter rätselhaften Umständen.

54 lässt Agrippina Nero zum römischen Kaiser ausrufen. Im Hintergrund zieht sie aber weiterhin die Fäden. Aber Nero wird älter und entschlossener. Auch rät ihm seine Umgebung zunehmend, sich von der Mutter zu emanzipieren. Fünf Jahre nach seiner Amtsübernahme plant Nero, seine Mutter auf jene Art und Weise zu beseitigen, die er von ihr gelernt hat: durch heimtückischen Mord. Er lässt ein Reiseschiff mit schweren Bleibarren präparieren, die Agrippina zerquetschen sollen. Agrippina überlebt – und tut in ihrer Verzweiflung so, als kenne sie den Drahtzieher des Attentats nicht.

Per Boten bittet sie ihren Sohn um besseren Schutz. Der aber schickt ihr Meuchelmörder. Wenn man der Überlieferung glauben darf, dann reißt sie sich kurz vor ihrer Ermordung 59 in Kampanien die Kleider vom Leib und befiehlt den Schergen, ihr in den Bauch zu stechen: Dort hinein also, wo sie den Fehler beging, der römischen Welt Nero zu gebären.

Stand: 06.11.2015

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