Stichtag

26. August 1795 - Alessandro von Cagliostro stirbt in Haft

Goethes "Groß-Cophta", Schillers "Geisterseher" und "Sarastro" in Mozarts Zauberflöte sind alle von dem Mann inspiriert, der sich selbst Alessandro von Cagliostro nennt. Als Wunderheiler und Wahrsager bringt er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Adelige und Bildungsbürger um ihr Geld. Das Geheimnis seines Erfolges: Er erfindet einen viel versprechenden Namen und kleidet sich, wie es in den gehobenen Kreisen üblich ist. Mit angeblich übersinnlichen Fähigkeiten bedacht, beherrscht er feine Tricks und hat eine attraktive Gattin an seiner Seite.

Dazu umgibt sich der Sizilianer mit einer geheimnisvollen Aura. Unsterblich will er sein, schon Jesus vor Judas gewarnt haben und als Mittler höherer Mächte fungieren. Gagliostro verspricht, Diamanten zum Wachsen zu bringen, oder Silber in Gold zu verwandeln. Gegen entsprechendes Geld heilt er schwere Krankheiten oder vertreibt Dämonen. Nur wenn die Gesundung allzu lange auf sich warten lässt, ist der Graf verschwunden - samt Geld, Gold und Edelsteinen. Im zerstückelten Europa des 18. Jahrhunderts muss er nur die nächste Landesgrenze erreichen, um sich und seine Beute in Sicherheit zu bringen.

Vom Kloster in die weite Welt

Der selbst ernannte Graf kommt 1743 als Giuseppe Balsamo in Palermo zur Welt und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Die Mutter schickt ihn ins Kloster, wo er die Wirkung von Heilkräutern kennenlernt. Doch das strenge Mönchsleben liegt ihm nicht, die Brüder setzen ihn vor die Tür. Zunächst hält er sich in seiner Heimatstadt mit kleinen Betrügereien über Wasser, flieht dann 1768 nach Rom und heiratet die schöne Gürtlertochter Lorenza Feliciani. Um der Armut zu entkommen, verwandelt er sich in den Grafen Cagliostro, seine Frau nennt sich fortan Gräfin Serafina.

In den folgenden Jahren besucht das Paar nahezu alle Prachtstädte in Europa: London, Paris, Madrid, Lissabon, Petersburg. Eine von Cagliostro erfundene ägyptischen Freimaurerloge öffnet die Türen in die feineren Kreise. Obwohl der Hochstapler klein, dickbäuchig und äußerst unattraktiv ist, wickelt er die Menschen um den Finger, insbesondere die Frauen. Seine Gattin Serafina - exotisch und erotisch - gefällt den älteren Herrn an den Höfen. "Er hat es verstanden, um seine Person einen regelrechten Kult zu entwickeln", sagt der Literaturwissenschaftler Klaus Kiefer, der sich ausgiebig mit dem Leben des Hochstaplers befasst hat.

Kranke Kinder durch neue ersetzt

Unterwegs in einer schwarzen Kutsche treffen Graf und Gräfin zudem den Nerv der Zeit. Mitten in der Aufklärung sehnen sich viele nach Antworten jenseits allen Verstandes. Cagliostro bietet ihnen, was sie begehren: Totenbeschwörungen, magische Lehren, okkulte Weisheiten und feine Heilpraktiken. Doch nicht jedes vermeintliche Wunder ist von langer Dauer, mancher Trick wird entlarvt. In Russland soll Cagliostro ein sterbenskrankes Kind geheilt haben, indem er es durch ein gekauftes Baby ersetzt hat. Andere Kinder soll er manipuliert haben, um durch sie einen simulierten Kontakt zu übersinnlichen Mächten aufnehmen zu können.

In Paris wird Cagliostro 1785 in die sogenannte "Halsbandaffäre" verwickelt, einem großen Betrug am königlichen Hof um eine Halskette für Königin Marie Antoinette. Der Wunderheiler wird in die Bastille inhaftiert, was ihn noch berühmter macht, da alle europäischen Medien über den Skandal berichten. In diesem Fall kann man dem Betrüger jedoch nichts nachweisen, er wird freigesprochen. Danach versucht Cagliostro in seiner Heimat Italien zum letzten Mal sein Glück als Trickbetrüger. Er gründet in Rom eine Freimaurerloge nach dem bekannten ägyptischen Muster. Doch die Freimaurer sind in der katholischen Stadt verboten. Der Graf wird zur Todesstrafe verurteilt. Zwar wandelt der Papst die Strafe in lebenslange Haft um, doch Cagliostro stirbt am 26. August 1795 mit nur 52 Jahren an den miserablen Haftbedingungen.

Stand: 26.08.2015

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