Stichtag

22. Januar 1945 – Else Lasker-Schüler stirbt in Jerusalem

Zwei Ehen scheitern, der einzige Sohn stirbt früh nach schwerer Krankheit, aus der Heimat wird sie vertrieben und in der Fremde nie richtig heimisch. Aber die Phantasie ihrer märchenhaften Dichtung hilft Else Lasker-Schüler über manchen Schmerz hinweg.

Mit Gedichten wie "Ein alter Tibetteppich" (1910) wird die Dichterin zur zentralen Vertreterin der avantgardistischen Moderne und der expressionistischen Literatur in Deutschland. "Deine Seele, die die meine liebet, / Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet", heißt es in dem Text, in dem es auch um die Liebe zur poetischen Sprache geht. "Süßer Lamasohn auf Moschuspflanzenthron, / Wie lange küßt Dein Mund den meinen wohl / Und Wang an Wang buntgeknüpfte Zeiten schon?".

Erweckung in Berlin

Geboren wird Lasker-Schüler 1869 als Spross einer jüdischen Familie in Elberfeld bei Wuppertal. Später wird sie den Ort zur Stadt Theben und sich zum Prinzen Jussuf verklären. Der Vater, ein Privatbankier, vererbt ihr das Zeichentalent, mit der Mutter dichtet sie schon früh. Ihr Großvater ist Rabbiner – das zentrale Motiv der Liebe wird in ihrer Lyrik immer wieder mit religiösen Motiven verknüpft.

1894 heiratet sie den Arzt Jonathan Berthold Lasker und geht mit ihm nach Berlin. Hier wird Lasker-Schüler zum ständigen Gast der literarischen Cafés, wo, wie sie einmal sagt, ihre "Erweckung" zur Dichterin stattfindet. Hierzu trägt nicht zuletzt ihr zweiter Ehemann Herwarth Walden bei, den sie nach ihrer Scheidung 1903 noch im selben Jahr heiratet und der ab 1910 die expressionistische Zeitschrift "Der Sturm" herausgibt. Wichtig ist aber auch der westfälische Dichter Peter Hille, den Lasker-Schüler den "schwarzen Schwan Israels" nennt.

Vagabundin in Pluderhosen

1901 veröffentlicht Lasker Schüler ihren ersten Gedichtband "Styx". Fünf Jahre später kommt mit dem "Peter-Hille-Buch“ ihr erstes Prosawerk heraus, 1909 das vom Industriemilieu ihrer Herkunftsstadt geprägte Schauspiel "Die Wupper". Da ist Lasker Schüler im literarischen Leben längst etabliert – auch wenn sie oftmals das Leben einer Vagabundin führt, auf Parkbänken schläft und mit ihren Pluderhosen, extravaganten Obergewändern und ihrem Modeschmuck in der Stadt wie ein Fremdkörper wirkt. "Man konnte weder damals noch später mit ihr über die Straße gehen, ohne dass alle Welt stillstand und ihr nachsah", erinnert sich Gottfried Benn, zu dem sich nach 1912 eine innige Beziehung entwickelt, die sich in zahlreichen Liebesgedichten wiederspiegelt.

1927 stürzt der Tod ihres Sohnes Paul die Dichterin in eine tiefe existentielle Krise. 1932 erhält sie mit dem Kleist-Preis eine der renommiertesten Literaturauszeichnungen Deutschlands. Es ist ihr künstlerischer Höhepunkt, auf den mit der Machtergreifung Adolf Hitlers der soziale Niedergang folgt. Die Nationalsozialisten verhöhnen sie, greifen sie tätlich an und attestieren ihr "Gehirnerweichung". 1933 emigriert Lasker-Schüler nach Zürich, wo sie die Fremdenpolizei weiter drangsaliert. 1938 wird ihr die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, ein Jahr später reist sie zum dritten Mal nach Palästina. Der Kriegsausbruch verhindert ihre Rückkehr.

Else Lasker-Schüler stirbt am 22. Januar 1945 in Jerusalem. Gottfried Benn nennt sie "die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte."

Stand: 22.01.2015

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