Stichtag

13. Januar 1960 – Verkündung des Ersatzdienstgesetzes

Kriegsdienstverweigerer sind Drückeberger. Oder religiöse Spinner. Oder Kommunisten, die mit ihrem Tun die Bundesrepublik massiv schwächen wollen. So sieht es Anfang der 60er Jahre ein Gutteil der westdeutschen Bevölkerung. Und so sieht es auch mancher Politiker. 

Von den Ängsten einer wehrkraftzersetzenden Schwächung zeugt auch die Genese des Ersatzdienstgesetzes, das am 13. Januar 1960 verkündet wird. "Der erste Passus, der geschrieben wird, betrifft Bestimmungen zur so genannten Meuterei", sagt der Historiker und Bundeswehrexperte Patrick Bernhard. "Da kann man schon ablesen, welchen Ressentiments Zivildienstleistende damals ausgesetzt waren." 

Das Gewissen entscheidet 

1956 beschließt das Bundeskabinett nach heftigen Diskussionen die allgemeine Wehrpflicht. "Sicherheit durch Abschreckung" verdrängt im Kalten Krieg die Ängste des Westens gegenüber einer Neuaufrüstung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. "Einziges Ziel der deutschen Wiederbewaffnung ist es, zur Erhaltung des Friedens beizutragen", betont dementsprechend Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Wer verweigern will, hat laut Artikel 4 des Grundgesetzes alles Recht dazu. "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden", heißt es dort seit 1949. "Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." 

Über dieses Bundesgesetz, das die Umsetzung im Alltag regeln soll, wird im Bundestag und in der Öffentlichkeit jahrelang heftig gestritten. Vor allem SPD und evangelische Kirche setzen sich für seine Ausformulierung ein. Erst als genügend Mitglieder aus den Reihen der CDU gewonnen werden können, kann damit begonnen werden.  

"Deichbau und Kultivierung von Ödland" 

Allerdings liegt die Detailplanung lange Zeit bei Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU). Und der will bei der Frage, was Wehrdienstverweigerer tun sollen, eine möglichst harte Regel. "Dem Drückebergertum würde Vorschub geleistet werden mit so leichten Aufgaben wie dem Pflegedienst", verkündet ein internes Schreiben. "Es sollten hingegen schwere körperliche Arbeiten ausgesucht werden: Die Katastrophenhilfe, der Bergbau, Deichbau und Kultivierung von Ödland."  

Vielen Parlamentariern sei klar gewesen, dass derlei Forderungen "im Geist des nationalsozialistischen Reichsarbeitsdienstes formuliert" gewesen wären, sagt Historiker Patrick Bernhard. Auch deshalb bleibt von diesen Ideen am Ende aller Streitgespräche nicht viel übrig. Das verabschiedete Ersatzdienstgesetz von 1960 spricht sich für einen gemäßigten, sozial ausgerichteten Zivildienst nach angelsächsischem Vorbild aus, dessen Verantwortlichkeit weitgehend bei den Wohlfahrtsverbänden liegt. 

Vom Recht auf Verweigerung machen in den ersten Jahren allerdings nur sehr wenige junge Männer Gebrauch. Das ändert sich erst im Laufe der 68er-Bewegung. Als 2011 der Wehrdienst ausgesetzt wird, gibt es in Deutschland immerhin rund 90.000 Zivildienstleistende.

Stand: 13.01.2015

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