"Alle wollen ins Boot. Bei den Männern ist das der Deutschland-Achter, bei den Frauen ist das der Doppelvierer", sagt Alexander Schmidt, Trainer des deutschen Doppelvierers der Frauen in der Dokumentation "Gemeinsam gegeneinander - Vier Ruderinnen für Olympia." Die Episode ist Teil des ARD-Formats "Generation F", das Sportlerinnen auf dem Weg zu Olympia begleitet hat.
Über drei Monate lang kämpften Anfang des Jahres neun Sportlerinnen um die vier Startplätze für die Olympischen Spiele. Und das nicht für irgendein Boot. "Das ist das Traditions-Boot, das erfolgreichste Boot, das wir haben", sagt Schmidt.
Schendekehl führt Doppelvierer an
Der Doppelvierer der Frauen ist seit der Aufnahme in das olympische Programm 1988 immer in die Medaillenränge gefahren - mit einer Ausnahme: Bei den Spielen in Tokio 2021 verpasste das Boot mit Platz fünf das fest eingeplante Edelmetall. In Paris war man da wieder erfolgreicher: Angeführt von Schendekehl als Schlagfrau, sicherte sich das Quartett die Bronze-Medaille.
In drei harten Trainingslagern wurde das aus Trainersicht stärkste Quartett zusammengestellt. Mit dabei: Die 25-Jährige aus Lünen. "Tabea ist eine der stabilsten und stärksten Sportlerinnen die wir haben", sagt Schmidt.
Den Kampf um das Olympia-Ticket nahm Schendekehl selbstbewusst, aber auch gut gelaunt und mit einer gewissen Lockerheit an. Trotz der Konkurrenz-Situation ist ihr der Spaß am Rudern anzumerken. Während der Olympia-Vorbereitung sagt Schendekehl: "Ich finde den Rudersport ganz wundervoll, weil es der ultimative Teamsport für mich ist." Das war aber nicht immer so.
Offener Umgang mit Angststörung und Depression
Schendekehl hat eine Angststörung und eine Depression. "Ich habe seit fünf, sechs Jahren immer wieder Probleme damit gehabt, dass ich Angst- und Panikattacken hatte. Sehr lange wusste ich nicht, was es ist." Der Spaß am Sport war in dieser Zeit verschwunden. "Wenn ich keine Bestleistungen auf dem Ergometer gebracht habe, dann war das eine extrem große Enttäuschung für mich", berichtet die 25-Jährige, die beim Ruderclub Hansa von 1898 in Dortmund trainiert. Und auch Erfolge konnte Schendekehl nicht mehr feiern. "Ich habe mich nicht mehr über Bestleistungen gefreut."
Schendekehl nahm eine Auszeit vom Leistungssport und konzentrierte sich auf andere Dinge. Sie verbrachte viel Zeit in den Bergen oder auf dem Rad. "Das hat sehr geholfen, weil ich Sport machen konnte ohne Leistungsgedanken." So ganz ohne ihre große Leidenschaft ging es dann aber doch nicht. "Ich habe das Rudern doch sehr vermisst und mir gesagt, ich komme zurück nach Deutschland und ich probiere es noch mal." Die junge Athletin spricht sehr offen über ihre Krankheit und auch darüber, dass sie dank der täglichen Einnahme von Medikamenten ihren Angst- und Stresspegel "ein bisschen niedriger halten kann."
Neben dem Rudern: Kunststudium in den USA
Dass ihr dabei auch ihre Lockerheit hilft, zeigt ein Ausschnitt in der ARD-Dokumentation ganz deutlich. Als Mitstreiterin Carlotta Nwajide sagt: "Ich hatte heute Morgen vorm Rudern vier Espresso-Shots und jetzt nochmal drei. Von irgendwas muss man ja abhängig sein", antwortet Tabea Schendekehl lachend: "Ja, von Antidepressiva."
Neben dem lockeren Umgang mit ihrer Diagnose hilft ihr die Kunst als Ausgleich zum Leistungssport. In den USA hat Schendekehl an der University of Washington ein Kunststudium abgeschlossen. Sie habe sich viel mit ihrem eigenen Körper beschäftigt. Selbstportraits halfen ihr dabei den "Prozess zur Selbstliebe zu finden."
Gemeinsam zur Medaille
Gefunden hat sich auch das Ruder-Quartett. Hinter Schendekehl saßen in dem schmalen Boot Pia Greiten, Leonie Menzel und Maren Völz - als Ersatzruderin fuhr Frauke Hundeling mit nach Paris. Gemeinsam konnten sie ihren Traum von einer Medaille in die Tat umsetzen. "Wir sind super happy, das ist alles, was wir uns erträumt haben", sagte Schendekehl nach dem Rennen in der ARD-Sportschau. "Die Medaille gehört auch denen, die nicht mit dabei sind. Nur wenn man so ein starkes Team hat, kann man solche Leistungen bringen", ergänzte Schendekehl.