7. Juni 1907 – Geburtstag der Dichterin Mascha Kaléko

Stand: 02.06.2022, 11:59 Uhr

Mit 22 Jahren veröffentlich Mascha Kaléko ihr erstes Gedicht und wird zu einem Star der Literaturszene in der Weimarer Republik. Ihr Leben ist geprägt durch zwei Weltkriege, Flucht und Exil.

Als uneheliches jüdisches Kind eines russischen Kaufmanns und einer österreichischen Mutter ohne Beruf kommt Mascha Kaléko zur Welt - in Galizien, im Süden des heutigen Polen. "Ich bin als Emigranten-Kind geboren in einer kleinen Tratsch beflissenen Stadt, die eine Kirche, zwei bis drei Doktoren und ein großer Irrenanstalt hat. Mein meist gesprochenes Wort als Kind war: Nein", berichtet sie später in lyrischen Versen über ihre Kindheit. Das Mädchen ist lebhaft, aufsässig, mutig - ein Wildfang. Der Vater ist streng oder abwesend, die junge Mutter oft genervt.

Russische Truppen marschieren 1914 in Polen ein. Der Vater fürchtet, eingezogen zu werden. Er nimmt seine Familie mit nach Frankfurt am Main und wird dort eingesperrt: als "feindlicher" Ausländer. Die Familie zieht weiter nach Marburg. Dort schreibt Mascha die ersten Gedichte.

Mascha Kaléko, Dichterin (Geburtstag, 07.06.1907) WDR ZeitZeichen 07.06.2022 14:57 Min. Verfügbar bis 07.06.2099 WDR 5

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Dichterin neben dem Studium

Nach Ende des Krieges zieht die Familie nach Berlin. Neben dem Universitätsstudium der Philosophie und Psychologie schreibt sie weiter Gedichte. Ein Beispiel:

Acht Stunden bin ich dienstlich angestellt
Und tue eine schlechtbezahlte Pflicht.
Am Abend schrieb ich manchmal ein Gedicht.
Mein Vater meint, das habe noch gefehlt.

Bei schönem Wetter reise ich ein Stück
Per Bleistift auf der bunten Länderkarte.
An stillen Regentagen aber warte
Ich manchmal auf das sogenannte Glück

Sie schickt ein Gedicht an die "Vossische Zeitung". Das Blatt veröffentlicht ihre Zeilen. Es ist "Gebrauchslyrik", zur täglichen Anwendung. Eine tröstliche Stimme des Alltags. In der literarischen Szene der Weimarer Republik fällt sie damit auf.

Späte Emigration

Als 1933 die Nazis an die Macht kommen, bleibt Mascha Kaléko zunächst in Deutschland. Erst 1938 emigriert sie mit dem zweiten Mann Chemjo Vinaver und ihrem Sohn nach Amerika. "Ich habe eine unwahrscheinliche Sehnsucht nach Berlin gehabt, schon ganz und gar unter den Wolkenkratzern in New York", sagt sie über das Exil.

Mascha Kaléko zieht nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück nach Berlin - obwohl ihre Gedichte in der Bundesrepublik wieder auf Interesse stoßen. Stattdessen folgt sie ihrem Mann nach Jerusalem und vereinsamt in der erneuten Fremde noch mehr. 1968 stirbt ihr Sohn Steven überraschend in New York. Ein Weltuntergang für Mascha Kaléko, nur aufgefangen durch die Nähe ihres Mannes. Fünf Jahre später erlebt sie auch dessen Tod.

Die letzte Wegstrecke ist einsam. Mascha Kaléko stirbt 14 Monate nach ihrem Mann im Januar 1975, unterwegs auf einer Reise von Berlin nach Jerusalem.

Autor des Hörfunkbeitrags: Ralph Erdenberger
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. Juni an Mascha Kaléko. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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