"Er lag da, bleich wie ein Sterbender, unbewegt, mit geschlossenen Lidern. Die abgezehrten Hände lagen müdegefaltet auf der Decke, zum ersten Mal sah ich ihn, den Feurigen, schwach." So beschreibt der mitreisende Schriftsteller Stefan Zweig Gustav Mahler nach dessen letzter Überfahrt aus New York bei der Ankunft 1911 in Cherbourg. Kurz darauf ist Mahler tatsächlich tot.
Gerade einmal 50 Jahre ist Mahler da alt. Und hat der Welt ein Werk präsentiert, das seinesgleichen sucht.
Mit Sechs die erste Auftragsarbeit
Geboren wird Mahler 1860 als Sohn eines jüdischen Schnapsbrenners und Gastwirts im böhmischen Kalischt. Schon als Kind brilliert er als Pianist. Mit 15 Jahren schafft er die Aufnahmeprüfung ans renommierte Wiener Konservatorium.
1880 wird Mahler Kapellmeister im Sommertheater in Bad Hall, 1891 erster Kapellmeister am Stadttheater Hamburg, wo er Tschaikowskis Oper "Eugen Onegin" in Deutschland erstaufführt. Von 1897 bis 1907 ist er erster Kapellmeister und Direktor der Wiener Hofoper.
Fast zehn Sinfonien
Mit seinem Motto "Tradition ist Schlamperei" will Mahler die Tonkunst erneuern, eckt aber vor allem an bei den Etablierten des Kunstbetriebs. So bleibt er selbst trotz seiner Karriere ein Außenseiter, der es niemandem recht machen kann, so sehr er sich auch aufreibt und ausbeutet für die Musik. Vor allem nicht der Musikkritik, die unbarmherzigen auch mit antisemitischen Ressentiments gegen ihn anschreibt.
Musikalisch setzt Mahler auf Komplexität. Das zeigt vor allem seine achte Sinfonie, die er 1901 mit Erfolg in München aufführt. Zwei Chöre nebst Kinderchor hat Mahler dafür vorgesehen, acht Solostimmen, eine Orgel. Es geht um Liebe, Tod und Schöpfertum.
Neun Sinfonien komponiert Mahler insgesamt, von der Zehnten schafft er zumindest ein Adagio. Wäre sie vollendet worden, hätte er sogar Beethoven übertrumpft.
Entzündung des Herzens
Im Februar 1911 dirigiert Gustav Mahler gegen den ausdrücklichen Rat seiner Ärzte in der Carnegie Hall zum letzten Mal. Auf dem Programm stehen italienische Zeitgenossen, Ferruccio Busonis "Berceuse élégiaque" wird uraufgeführt. Da ist Mahler schon von Fieberschüben geplagt. Aus der diagnostizierten Influenza wird eine bakterielle Entzündung des Herzens.
Gerade hat Mahler Grundstück auf dem Semmering bei Wien gekauft, um sich in der guten Luft einen Ort der Ruhe zu schaffen – auch, um entspannter und fern der Wiener Turbulenzen komponieren zu können. Aber es ist zu spät, der Traum geht nicht mehr in Erfüllung. Gustav Mahler stirbt am 18. Mai 1911 in einem Wiener Sanatorium.
Autor des Hörfunkbeitrags: Holger Noltze
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. Mai 2021 an Gustav Mahler. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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