16. April 1973 - Der Dirigent István Kertész stirbt bei Kfar Saba

Er ist eines der größten Dirigenten-Talente des 20. Jahrhunderts: István Kertész startet von Ungarn aus eine internationale Karriere. Am Pult mimt er aber nicht den großen Star.

Trends und Moden hinterherlaufen? Davon hält der Komponist István Kertész nichts. Er kritisiert die Schnelllebigkeit des Theaterbetriebs und fordert stetiges An- und Miteinanderwachsen: "Die gemeinschaftliche Arbeit mit einem Sänger auf Jahre hin bürgt für eine Situation, wo der Sänger spielen kann und seine Partie bühnenmäßig, szenenmäßig voll entfalten kann."

István Kertész, Dirigent (Todestag, 16.04.1973) WDR ZeitZeichen 16.04.2023 14:59 Min. Verfügbar bis 16.04.2099 WDR 5

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Dabei hat Kertész auch eine klare Vorstellung von den wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine solche Zusammenarbeit. Er setzt auf die staatliche Unterstützung des Theaterbetriebs.

"Ich glaube, Subventionen erlauben uns eine Form von künstlerischer Freiheit, eine Großzügigkeit, die dann selbstverständlich in einer noch höheren Qualität das Resultat finden kann." István Kertész, Komponist

Flucht aus Ungarn

Geboren wird der ungarische Ausnahmemusiker am 28. August 1929 in Budapest. Der Sohn jüdischer Eltern lernt mit sechs Jahren Geige und mit zwölf Jahren Klavier. In seiner Geburtsstadt studiert er Dirigieren und Komposition. Zu seinen Lehrern gehören der Komponist Zoltán Kodály und die Dirigenten Bruno Walter und Otto Klemperer.

Mitte der 1950er-Jahre wird Kertész Direktor an der Budapester Oper. Doch sein Engagement ist nicht von langer Dauer: 1956 schlagen sowjetische Truppen den ungarischen Volksaufstand nieder. Kertész flieht wie viele andere aus politischen Gründen ins Ausland. Zusammen mit seiner Ehefrau Edith, einer Opernsängerin, geht er zunächst nach Rom. Danach folgen Festanstellungen an den Opernhäusern in Augsburg und Köln.

Aufnahmen weniger bekannter Werke

Köln wird zur Wahlheimat von Kertész. Er wohnt auch in der Stadt, als seine internationale Karriere weiter an Fahrt aufnimmt. Er erhält unter anderem Engagements beim London Symphony Orchestra, bei den Berliner und den Wiener Philharmonikern, beim Amsterdamer Concertgebouw-Orchester sowie an der Mailänder Scala. Es folgen jährlich 40 bis 50 Konzertauftritte in den USA.

Kertész leistet zudem Pionierarbeit, indem er auch weniger bekannte Werke großer Komponisten auf Schallplatte festhält. Darunter sind alle Sinfonien von Antonín Dvorák und von Franz Schubert. Kertész ist auch der erste Dirigent, der eine vollständige Aufnahme von Mozarts Oper "La clemenza di Tito" herausbringt. Einer seiner berühmtesten Aufnahmen ist die Oper "Herzog Blaubarts Burg" von Béla Bartók.

Badeunfall in Israel

Die vielen interkontinentalen Reisen belasten Kertész: "Das war eigentlich viel strapaziöser - und zwar nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist, für die Konzentration, die für den Dirigenten natürlich die allererste Ordnung und Größenordnung darstellt."

Kertész entschließt sich, zurück nach Deutschland zu gehen. Er wird zum neuen Chefdirigenten der Bamberger Symphoniker ernannt und soll seine Stelle im Herbst 1973 antreten. Doch dazu kommt es nicht. Bei einem Aufenthalt in Israel wird er am 16. April 1973 am Strand der Stadt Kfar Saba von einer Strömung ins Meer hinausgetrieben und ertrinkt mit 43 Jahren. Begraben wird István Kertész auf dem Kölner Melaten-Friedhof.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vratz
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. März 2023 an István Kertész. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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