20. März 1913 - Die Schrifstellerin Ilse Losa wird geboren

Sie gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Portugals: Ilse Losa verfasst Romane und Kinderbücher - nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten. In Deutschland wird das Werk der Jüdin erst spät entdeckt.

1949 erscheint in Portugal der Roman "O mundo em que vivi" ("Die Welt in der ich lebte"). Darin erzählt Ilse Losa aus dem früheren Leben der Rose Frankfurter - ihrem Alter Ego. "Ich war, den alten Fotos nach zu urteilen, ein zartes, blondes Mädchen mit kindlich glatten Zügen", schreibt die Autorin über ihre Romanfigur. Wie sie selbst verbringt Rose ihre ersten sechs Lebensjahre bei den Großeltern im niedersächsischen Buer. Eine Zeit des Glücks.

Die Tochter jüdischer Eltern wird am 20. März 1913 als Ilse Lieblich geboren. Als ihr Vater, ein Pferdehändler, in den Ersten Weltkrieg zieht, lebt ihre Mutter mit Ilses jüngeren Brüdern Ernst und Fritz bereits im benachbarten Melle. Der Großvater wird für Ilse eine Art Ersatzmutter. "Jeden Abend setzte sich Großvater zu mir, um mir Geschichten zu erzählen und vorzusingen", heißt es im autobiografischen Roman.

Ilse Losa, Exilschriftstellerin (geboren am 20.03.1913) WDR ZeitZeichen 20.03.2023 14:56 Min. Verfügbar bis 20.03.2099 WDR 5

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Hitler als Verbrecher bezeichnet

Als 1919 die Einschulung ansteht, holt der Vater Ilse nach Melle. Dort besucht sie die Volksschule und in Osnabrück das Lyzeum, bis die Familie nach Hildesheim zieht. Ilse ist 17 Jahre alt, als ihr Vater stirbt und sie die Schule abbrechen muss, weil das Geld fehlt. Sie geht für ein Jahr als Au-pair nach London. Sie schreibt erste, kurze Texte, die verloren gehen.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland will sie einen Beruf erlernen. Doch als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, ist das nicht mehr möglich. Ilse hält sich in Berlin als Büroangestellte über Wasser - bis sie plötzlich von der Gestapo verhaftet und stundenlang verhört wird: Ihr Brief an eine Freundin ist abgefangen worden, darin hat sie Adolf Hitler als Verbrecher bezeichnet. Als Ilse bis zum nächsten Verhör freikommt, flieht sie.

Schreiben gegen Depressionen

Am 12. März 1934, wenige Tage vor ihrem 21. Geburtstag, betritt Ilse als Emigrantin Portugal und damit neutralen Boden. Ihr Bruder Fritz, der bereits im Exil ist, erwartet sie und klärt sie über die politische Lage im Land auf. Ministerpräsident António de Oliveira Salazar ist ein Bewunderer Hitlers und gerade dabei, eine Diktatur zu errichten. Diese wird erst 1974 durch die Nelkenrevolution beendet.

Im Freundeskreis ihres Bruders lernt Ilse den Architekturstudenten Arménio Losa kennen. Ein Jahr später heiraten die beiden, dadurch wird Ilse Losa portugiesische Staatsbürgerin. Gemeinsam beziehen sie eine Etagenwohnung und bekommen zwei Töchter. Als Ilse Losla Ende der 1940er-Jahre an Depressionen leidet, beginnt sie auf ärztlichen Rat zu schreiben. Es entstehen drei Romane, einen Gedichtband, Dutzende Erzählungen, Aufsätze und Kinderbücher.

Schullektüre, Briefmarke, Bundesverdienstkreuz

In Losas Literatur geht es um Menschen im Exil, um Kindheit, Identität, um starke Mädchen. Und um acht ältere Frauen, ehemalige Klassenkameradinnen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in einer deutschen Stadt bei Kaffee und Kuchen treffen, viel reden, aber schweigen, worüber sie reden müssten: In der Erzählung "Treffen im Herbst, oder: Was Paula mir nicht erzählte" wird nicht über Sofie gesprochen, die in Auschwitz war.

In Deutschland dauert es lange, bis sie wahrgenommen wird. In der DDR erscheint 1967 ihre Erzählung "Das versunkene Schiff" und sie wird mehrmals zur Leipziger Buchmesse eingeladen. In der Bundesrepublik erscheint ihr Roman "Unter fremden Himmeln" erst 1991, fast 40 Jahre nach der portugiesischen Erstveröffentlichung. Im selben Jahr wird sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Ilse Losa, die auch als Übersetzerin und Lektorin arbeitet, stirbt am 6. Januar 2006 in Porto. In Portugal gehören ihre Texte heute zur Schullektüre. 2013 wird ihr dort zum 100. Geburtstag eine Briefmarke gewidmet. Im niedersächsischen Buer ist ein rund 150 Meter langer Weg zum jüdischen Friedhof nach ihr benannt.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Claudia Friedrich
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. März 2023 an Ilse Losa. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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