Warum wir Angst vorm Wolf haben

Mehr als 180 Wolfsrudel leben wieder in Deutschland. Das verursacht Konflikte, vor allem mit Weidetierhaltern. Kurt Kotrschal, Mitbegründer des österreichischen Wolfforschungszentrums, sieht in den Wölfen eine "Nagelprobe" für die ökologische Wende.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat vor einigen Wochen den Vorschlag gemacht, Wölfe nach Rissen von Nutztieren schneller zum Abschuss freizugeben. Das geht vielen Landwirten und Jägern, die die weitere Ausbreitung der Tiere unterbinden wollen, längst nicht weit genug. Die aufgeheizten Debatten rund um den Wolf zeugen von einer hohen Emotionalität, die für den Verhaltensbiologen Kurt Kotrschal allerdings in keinem Verhältnis zur realen Bedrohung steht. Woher aber kommt diese irrationale Angst?

Das Verhältnis zwischen Mensch und Wolf reicht kulturgeschichtlich Jahrtausende zurück. In Mythen, Märchen und Legenden ist es thematisiert worden: Oft gilt der Wolf dabei als Inkarnation des Bösen schlechthin. Seine Ausrottung in Europa im 19. Jahrhundert wurde begrüßt. Jetzt aber legen die Wolfspopulationen wieder kräftig zu und fordern Nutztierhalter ebenso wie Naturschützer heraus.

Während sich in der Öffentlichkeit vor allem die Aufregung und der Unmut von Schafzüchtern, Landwirten und Jägern widerspiegeln, sehen Naturschützer wie Kurt Kotrschal in der Rückkehr der Wölfe einen ökologischen Hoffnungsschimmer. Denn Wölfe können in freier Natur einen wichtigen Beitrag leisten für die Gesundung der inzwischen überdimensionalen Wildbestände und damit für die in die Krise geratene Biodiversität. Nicht Wildtiere wie der Wolf sind schuld an dieser Krise, sagt Kurt Kotrschal, sondern der Mensch, der für sich das Recht in Anspruch nimmt, "die Natur nach Gutdünken bis an die Grenzen auszubeuten". Die unumgängliche neue Ökologisierung unseres Lebens erfordert es, der Natur wieder mehr Raum zu geben. Mit Blick auf den Wolf heißt das für den österreichischen Forscher: "Wir müssen lernen, mit ihm und nicht gegen ihn zu leben".

Buchtitel

Kurt Kotrschal (2022): Der Wolf und wir.
Wien: Brandstätter Verlag. 240 Seiten. 25 Euro. ISBN 978-3-7106-0597-0.

Redaktion: Julian Troost

 

Warum wir Angst vorm Wolf haben WDR 5 Neugier genügt - Redezeit 09.11.2023 23:25 Min. Verfügbar bis 08.11.2024 WDR 5

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