Querelle ist durchtrainiert, unheimlich schön und anziehend und zielorientiert. Wenn er jemanden haben will, bekommt er ihn auch. Denn alle schwulen jungen Männer in Roberval möchten mit Querelle ins Bett. Sie unterwerfen sich seiner Lust und können es kaum abwarten, ihn wieder zusehen. Doch der 27jährige Querelle ist an niemandem persönlich interessiert. Wenn er im gestreiften Matrosenshirt in den Bars in Roberval abhängt und nach neuen Abenteuern Ausschau hält, bleibt er cool und distanziert.
Um ihn herum herrscht Stillstand. Denn in dem Sägewerk, in dem er auch arbeitet, wird seit längerem gestreikt. Die gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen stehen bei Minus 32 Grad vor den Toren der Fabrik und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen.
Kevin Lamberts Roman "Querelle de Roberval" erzählt von einer Gesellschaft, die in viele Einzelteile zerbrochen ist. Jede einzelne Berufsgruppe fühlt sich benachteiligt und ausgenutzt. Doch es ist völlig ausgeschlossen, dass man sich einfach zusammenschließt, um gemeinsam etwas zu erreichen.
Zuviel Misstrauen herrscht unter den Bewohnern des Ortes. Der offen schwul lebende Querelle wird argwöhnisch beäugt, zum Sündenbock erkoren und für die "Verweiblichung der Männer" verantwortlich gemacht. Und das, obwohl der Autor seine Hauptfigur als starken und auch gewaltbereiten Mann angelegt hat.
Mit "Querelle de Roberval" hat Kevin Lambert einen sprachlich gewaltigen Roman über das Verschwinden von gesellschaftlichen Grundfesten geschrieben, in dem das Konzept von Richtig und Falsch mit einer faszinierend rhythmisierten Sprache literarisch aus den Angeln gehoben wird.
Letztendlich kämpft im Roman jede und jeder gegen jeden. Das Mitgefühl füreinander bleibt auf der Strecke. Mißtrauen und Gewalt verbindet die Romanfiguren. Und Querelle findet sich in einem erbitterten Showdown am Ufer des Sees wieder, in dessen Tiefen der menschliche Abgrund schlummert.
Eine Rezension von Claudia Cosmo
Literaturangaben:
Kevin Lambert: Querelle de Roberval
Aus dem kanadischen Französisch von Frank Weigand
Secession Verlag, 2024
244 Seiten, 23 Euro