Autorin im Gespräch

Mareike Fallwickl über "Und alle so still"

Stand: 03.05.2024, 13:31 Uhr

Feministische Revolution: Mareike Fallwickl malt in ihrem neuen Roman ganz konkret aus, was passieren könnte, wenn Frauen sich ihrer Rolle verweigerten.

"Wir haben doch alles versucht. Wir haben verlangt, dass Care-Arbeit aufgewertet wird, dass wir die gleiche Bezahlung erhalten für die gleiche Arbeit, wir haben gefordert, dass Täter zur Verantwortung gezogen werden, dass es besseren Schutz gibt vor Femiziden. Nichts hat sich verändert", klagt eine der Frauen in Mareike Fallwickls neuem Roman. Nun aber ist endgültig Schluss damit!

Eines Tages liegen die Frauen und Mädchen regungslos auf der Straße und stehen nicht mehr auf. Überall im Land verweigern Frauen den Dienst an Gesellschaft und Familie. Das System, das sie jahrelang ignoriert hat, droht zusammenzubrechen. Zum Beispiel im Krankenhaus, wo ohne Frauen niemand mehr da ist, der Patienten aufnimmt, Erstversorgung leistet, Verbände und Bettpfannen wechselt, beruhigende Worte spricht. So wie Ruth, Mitte 50, eine Pflegekraft, die sich hier seit Jahrzehnten aus Überzeugung zu Tode schuftet.

Im Krankenhaus arbeitet auch Nuri. Er ist "Bettenschubser", bringt Patienten in den OP. Der sensible junge Mann ist in Armut groß geworden und hat gleich drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Er sympathisiert mit den Frauen, denn er weiß, was es heißt, zu den Ausgebeuteten der Gesellschaft zu gehören. Für Ruths Nichte Elin dagegen ist die Erfahrung von Solidarität etwas Neues. Mutter Alma hat immer gepredigt, sie müsse allein klarkommen.

Elin, Ruth und Nuri: Aus der Perspektive von drei Figuren erzählt Mareike Fallwickl davon, was in unserer Gesellschaft nicht stimmt und was sich ändern muss. Pflegenotstand, Gender-Pay-Gap, Bildungsungerechtigkeit: Die Fakten kennen wir alle, hier werden sie durch Handlung und großartige Figuren sehr greifbar. Ganz nah kommt die Autorin an deren Gefühle heran.

Besonders gelungen sind die Darstellung des Krankenhausalltags und der prekären Lebensbedingungen eines jungen Menschen, dem die Gesellschaft keine Chance gegeben hat. Nur manchmal kommt der Roman als politisch-feministische Kolportage daher. Literatur bildet nicht nur Realität ab, sie zeigt auch Veränderungsmöglichkeiten auf. Es geht nicht darum aufzustacheln, es geht um Gerechtigkeit.

Mareike Fallwickl hat einen Roman über die Kraft der Solidarität und des Gemeinsinns geschrieben. Eine Gesellschaftsutopie die die Augen öffnet, anrührt und Hoffnung macht.

Eine Rezension von Mareike Ilsemann

Mareike Fallwickl über "Und alle so still" WDR 5 Bücher - Autoren im Gespräch 04.05.2024 11:43 Min. Verfügbar bis 03.05.2025 WDR 5

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Literaturangaben:
Mareike Fallwickl: Und alle so still
Rowohlt Verlag, 2024
368 Seiten, 23 Euro