Aktuelle Lyrik

"Unbezwungen" von Dorothy Parker

Stand: 05.04.2024, 14:55 Uhr

Dorothy Parkers zweiter Band mit Gedichten ist mindestens so gut wie der erste. Und er erste war schon mehr als gut.

Was wir auch dem Übersetzer Ulrich Blumenbach zu verdanken haben, um mal mit dem Menschen anzufangen, der Dorothy Parkers Gedichte aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche übertragen hat. Und das hat Herr Blumenbach so exzellent gemacht, dass man geneigt ist, sich zu verneigen. Wo es z. B. im Original heißt, "Where tropic love-birds woo" heißt es bei Ulrich Blumenbach, "Wo Tropenturteltauben frein’n". T r o p e n t u r t e l t a u b e n: Das ist ganz feines Kunst- und Handwerk.

Nach dem ersten Band mit Gedichten von Dorothy Parker "Denn mein Herz ist ungebrochen" 2017 zu ihrem 50. Todestag, ist jetzt also ein zweiter Band erschienen. Der versammelt ihre "verstreut publizierten" Gedichte, die sich so lesen, als wenn sie nicht im Original schon teilweise hundert Jahre alt wären, sondern gestern Abend geschrieben wurden. Bis auf ein paar Wörter, wie vielleicht z. B. "Dampfschiff" sind Parkers Gedichte so gut wie nicht aus der Zeit gefallen, denn ihre Lyrik ist eine fortwährende Beschäftigung mit den Abgründen und Absurditäten im menschlichen Alltag, der so viel an Überraschungen, Wendungen und Wiederholungen für Parker bereithielt, wie – ja, wie heute auch.

Da wird der "Strauchdieb" zum "Edelmann", da wird das Weihnachtsfest beleuchtet, "Ihr Strumpf birgt Immobilienpracht / (ich mein’s im übertragenen Sinn) / ‘ne comme il faut möblierte Jacht / Ein Straßenkreuzer steckt dadrin", und es wird die Liebe in all ihren Aggregatzuständen säuberlich filetiert und (manchmal) wieder zusammengesetzt, wie in dem schönen "Liebeslied". Dort lautet eine Pointe "Ging‘ irgendwann mein Charme und Bann / Für dich wohl auf in Rauch? / Und strecktest du die Fühler dann / Nach andren aus?...Ich auch."

Mit 33 Jahren hatte Dorothy Parker ihren ersten Gedichtband in New York veröffentlicht, "Enough Rope", der ein Bestseller wurde und sie schlagartig bekannt machte. Es folgten ihre Kurzgeschichten, die weltweiten Erfolg hatten. In denen nahm sie fröhlich und sarkastisch so ziemlich alles, vor allem Zwischenmenschliches, unter die Feder, was sie für aufschreibenswert hielt.

Aber bei all ihren Begabungen ist Dorothy Parker, die auch als gefürchtete Theater- und Literaturkritikerin, sowie als Drehbuchautorin erfolgreich war, immer eine Lyrikerin mit Leib und Seele gewesen. Und davon kann man sich auch in dem zweiten, jetzt auf Deutsch erschienenen Gedichtband überzeugen, der die große Kunst der Dorothy Parker birgt, sich leichtfüßig und ohne Moralin den Dingen zu nähern, spielerisch und zart, aber eisenhart. Denn das Leichte ist immer das Schwere. "Unbezwungen" ist ein Buch, das ganz oben auf dem Zettel stehen sollte.

Eine Rezension von Matthias Ehlers

Literaturangaben:
Dorothy Parker: Unbezwungen. Gedichte
Englisch/Deutsch
Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach
Mit einem Nachwort von Nora Gomringer
Dörlemann Verlag, 2024
416 Seiten, 28 Euro