Der 1933 in der Nähe von Chemnitz geborene Peter Härtling hat ein kaum fassbares großes Werk hinterlassen mit Gedichtbänden, Romanen, Erzählungen, Kinderbüchern, Dramen, Kritiken und Aufsätzen. Zudem war er Redakteur, Herausgeber und bis zuletzt Moderator einer Literatursendung im Hessischen Rundfunk.
Als Peter Härtling seinen ersten Gedichtband veröffentlichte, war er noch keine zwanzig Jahre alt und hatte bis dahin Unvorstellbares erlebt. Sein Vater war 1945 in sowjetischer Gefangenschaft ums Leben gekommen und seine Mutter hatte sich 1946 das Leben genommen. Ihre Vergewaltigung durch russische Soldaten hatte der Sohn 1945 miterlebt.
Die Flucht aus dem Osten trieb den elternlosen jungen Mann dann nach Nürtingen in Baden- Würtemberg, wo er Zeitungs-Redakteur wurde. Nach weiteren Stationen als Cheflektor und Herausgeber beim S. Fischer Verlag in Frankfurt etablierte sich Peter Härtling ab 1974 als freier Schriftsteller.
"An den Ufern meiner Stadt" versammelt Härtlings Gedichte zwischen 2000 und 2017. Ein Teil davon ist vorher veröffentlicht gewesen, dazu kommen zahlreiche Gedichte, die nach seinem Tod gefunden wurden.
Viele entstanden vor dem Hintergrund seiner schweren Krankheit, die ihn zunehmend unbeweglicher machte und an sein Zuhause gebunden hat. Dort saß er in seinem Arbeitszimmer vor dem Fenster und blickte nach innen und nach außen. Es war eine hoch kreative Phase, die stark motiviert war durch die Erkenntnis, dass das Leben endlich ist.
Peter Härtlings Lyrik erzählt vom Schönen und vom Traurigen, von der Auseinandersetzung mit dem Unausweichlichen, dem Tod, von der Kindheit, vom Krieg, dem Verlust der Heimat und seiner Mutter, von "Winterbäumen", von "Orpheus" von "Strohblumen vor der Tür" und vom "Ossmannstedter Engel".
"An den Ufern meiner Stadt" zeigt eindrucksvoll, was für ein großer Dichter Peter Härtling war. Hier gibt es einen riesigen, faszinierenden Kosmos zu entdecken.
Eine Rezension von Matthias Ehlers
Literaturangaben:
Peter Härtling: An den Ufern meiner Stadt. Späte Gedichte
Kiepenheuer & Witsch, 2023
480 Seiten, 28 Euro