Drei Musiker vertonen das Theaterstück fast zeitgleich, ohne die Musik der jeweils anderen zu kennen. Sie wählen unterschiedliche Formen, finden dabei aber erstaunlich ähnliche Klangfarben. Der französische Impressionist Claude Debussy sichert sich gleich nach der Pariser Theateraufführung von "Pelléas et Mélisande" die Textrechte für seine Oper. Die Vorlage ist ideal: eine Geschichte, die sich im Inneren vollzieht, die Dinge nur halb ausspricht und dem Komponisten die Freiheit gibt, seine eigene Phantasie mit der Dichtung zu verbinden. Trotzdem dauert es bis zur Uraufführung von Debussys lyrischem Drama im Jahre 1902 neun Jahre.
Wie aus dem Ärmel gezaubert erscheint dagegen die Bühnenmusik, die Gabriel Fauré 1898 für eine Londoner Theateraufführung schreibt. Sieben Musikstücke und viele kleine Orchestereinwürfe entstehen in nur sechs Wochen. Die Instrumentierung besorgt Faurés Schüler Charles Koechlin. Die Bühnenmusik hat Erfolg, so dass vier Stücke in einer Suite op. 80 veröffentlicht werden und bis heute in Konzertsälen beliebt sind, allen voran die "Sicilienne".
Arnold Schönberg plant erst eine Oper, schreibt dann aber eine 40-minütige sinfonische Dichtung. Sein op. 5 ist eines seiner romantischen Werke. Leitmotive wie bei Richard Wagner stehen für die drei Hauptpersonen im Dreiecksdrama von Liebe, Eifersucht und Mord. Aber auch Ideen wie das Schicksal, die Liebe und die Ehe bekommen eigene musikalische Motive. Schönberg will jedes Detail der Vorlage Maeterlincks in Musik setzen und schichtet die Motive dichtgedrängt übereinander. Das Ergebnis ist eine enorm komplizierte Partitur, voller Chromatik und überladener Polyphonie.
Debussy möchte seine Leitmotive flexibler gestalten. Überhaupt soll der Gesang dem natürlichen Tonfall der französischen Sprache folgen. Es entsteht ein unendliches Rezitativ, das bis heute einzigartig ist. Die Musik beginnt da, wo die Worte aufhören.
Gabriel Fauré ist bereits über 50 Jahre alt und strebt weiter nach klaren und reinen Formen. An der berühmten Pariser Kirchenmusikschule, der École Niedermeyer, hat er die mittelalterlichen Kirchentonarten lieben gelernt. In seiner Musik ist er ein Meister schneller Modulationen in weit entfernte Harmonien. Das gibt seiner Musik eine Schwerelosigkeit und Würze, ohne ihre klassische Eleganz zu stören.
Trotz aller Unterschiede löst Maeterlincks symbolistisches Drama "Pelléas et Mélisande" bei den drei Komponisten ähnliche Klangvorstellungen aus: angefangen bei den düsteren Farben des Waldes bis hin zu den Instrumenten, die mit den Liebenden und dem eifersüchtigen Ehemann verbunden sind. Ein Hörvergleich macht die Parallelen deutlich. Weitere Vertonungen gibt es von William Wallace (1897) Cyril Scott (1900), Jean Sibelius (1905) und Charles Koechlin (1920).
Redaktion: Eva Küllmer