Nur ein Gedanke beherrscht den jungen Müllerburschen: "Die geliebte Müllerin ist mein!" Aber das sagt er nicht ihr, sondern dem Bach, seinem treuen Weggefährten, der ihn am Ende in sich aufnehmen wird. Die schöne Müllerstochter weiß nichts von all' der Liebe, Hingabe und Verzweiflung. Sie wählt den Jäger für sich aus. Und wir werden Zeuge der seligen und unseligen Gefühlsstürme im jungen Burschen.
Michael Gees erläutert, was uns bis heute bewegt, wenn wir anderen Menschen begegnen: Begeisterung und Neugier, Erwartung, Enttäuschung und Eifersucht, Stolz und Resignation bis hin zu einem tiefen überwindendbaren Schmerz. Franz Schubert wertet bei seiner Vertonung nichts von alledem, sondern übersetzt Situationen und Emotionen eins zu eins in Klang. Etwas, das eigentlich verpönt ist und gleichzeitig große Kunst. Denn wer kann schon etwas Naives sagen, ohne dass es lächerlich wirkt?
Franz Schubert geht 1823 mit seiner Musik einen anderen Weg als der Dichter Wilhelm Müller einige Jahre zuvor in seinem Gedichtzyklus, denn Müller bricht die unglückliche Liebesgeschichte ironisch. Möglicherweise hat er dadurch eine eigene aussichtslose Liebe verarbeitet. Die Geschichte der "schönen Müllerin", italienisch "La molinara", ist jedenfalls Anfang des 19. Jahrhunderts allgegenwärtig in Dichtung und Musik.
In einer ersten Fassung entwickelt Wilhelm Müller zusammen mit Freunden wie Clemens Brentano, Achim von Arnim und den Geschwistern Hensel ein unterhaltsames Stegreif-Singspiel. Sie dichten eigene Texte darüber, wie die schöne Müllerin Rose vom Müllerburschen, vom Jäger, vom Junker und vom Gärtnerknaben gleichzeitig umworben wird und sich letztlich für den Jäger entscheidet. Ludwig Berger, Berliner Pianist und Klavierlehrer Mendelssohns, schreibt die Musik dazu. Aus diesem spaßigen Zeitvertreib erwächst ein Zyklus von 25 Gedichten, von denen Schubert 20 vertont. Erste Aufführungen seiner Müller-Lieder finden wiederum bei geselligen Abendunterhaltungen statt.
Seit über 30 Jahren musizieren Michael Gees und der Tenor Christoph Prégardien zusammen. Angefangen haben sie mit Schuberts "Müllerliedern" Deutsch-Verzeichnis 795, berichtet Michael Gees: "Und wir sind dankbar und froh für jeden Moment, der sich ereignet, auf den wir beide nicht gefasst sind."
Welche Momente in der Musik und im Seelendrama des Müllerburschen für den Liedpianisten Michael Gees wichtig sind, erläutert er an vielen kleinen Details der "Schönen Müllerin" von Franz Schubert. Dabei nimmt er immer wieder auch die Bedeutung dieser 200 Jahre alten Geschichte für uns heute in den Blick.
Eine Collage von Antonia Ronnewinkel
Redaktion: Eva Küllmer
Sendung
Franz Schubert: "Die schöne Müllerin"
Christoph Prégardien (Tenor)
Michael Gees (Klavier)
Label: Challenge Classics
Bestellnummer: CC 72292