Bad Oeynhausen: Was tun gegen zunehmende Jugendkriminalität?

Stand: 28.06.2024, 08:26 Uhr

Jugendliche verletzten andere so schwer, dass sie sterben: Was tun gegen so extreme Fälle wie in Bad Oeynhausen und Paderborn? Im WDR 5-Stadtgespräch wurde klar: Die Familien sind in der Pflicht. Und wir brauchen mehr Sozialarbeiter.

Von Uwe Pollmann

Erst am Wochenende war in Bad Oeynhausen ein 20-Jähriger nach einer Abiturfeier im dortigen Kurpark zusammengeschlagen worden. Er starb später an den Folgen. Der Hauptverdächtige, ein 18-jähriger Syrer, sitzt mittlerweile in U-Haft. Er war aber nicht allein.

Auch in Paderborn war Anfang Mai ein 30-Jähriger von drei Jugendlichen so stark verletzt worden, dass er starb. Zwei Verdächtige, ein junger Marokkaner und ein junger Tunesier, stellten sich. Solche und ähnliche Fälle bewegten viele Zuschauer beim WDR 5-Stadtgespräch – aber auch das Podium.

Immer mehr Jugendliche haben Waffen

Moderatorin Judith Schule-Loh (l.) mit Gästen | Bildquelle: WDR

Es sei vor allem "eine beängstigende Entwicklung", dass immer mehr Jugendliche Waffen, wie etwa Messer, mit sich führen, machte Rainer Axer, Vorstand der Gewerkschaft der Polizei NRW, deutlich. Zudem sei nur das Hellfeld der Taten bekannt. Es gebe aber noch viel mehr unbekannte Fälle im Dunkelfeld. "Die Brutalität ist immens gestiegen", ergänzte ein Türsteher im Publikum. Eine Sozialarbeiterin eines Jugendtreffs machte auf die Verrohung durch soziale Medien aufmerksam. Jugendliche seien fasziniert von " 'Challenges', wo es um Selbstverletzung und Verletzung anderer geht". Bei solchen Videos gehe es darum, viele Likes zu erhalten.

Stadtgespräch aus Paderborn: Steigende Jugendkriminalität WDR 5 Stadtgespräch 27.06.2024 55:29 Min. Verfügbar bis 27.06.2026 WDR 5

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Respektlosigkeit, Konflikte, Enthemmung und Gewalt nehmen zu

Dass Respektlosigkeit, Konflikte, Enthemmung und Gewalt zunehmen habe aber auch mit der Situation in den Familien zu tun, erklärte Ulla Hoentgesberg, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Paderborn: "Kinder sehen Gewalt in der Familie." Eltern seien keine guten Vorbilder mehr und würden sich mitunter nicht mehr um ihren Nachwuchs kümmern, sondern selbst viel vor dem Smartphone sitzen. Es gebe keine klaren Regeln.

Die Folge sei, dass Jugendeinrichtungen und auch Schulen keinen Zugriff mehr hätten, sagt die AWO-Frau: "Für die Betreuenden ist das ein Marathon", immer wieder Regeln erklären zu müssen. Und auch Lehrkräfte "kommen nicht mehr mit der Respektlosigkeit klar".

Gewerkschaft der Polizei: früher auf Kinder zugehen

Moderator Stefan Leiwen im Gespräch mit dem Publikum | Bildquelle: WDR

Zwar gebe es in NRW gute Konzepte, mit kriminellen Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, erklärte der Kriminalbeamte Rainer Axer. So versuche das Projekt "Kurve kriegen" junge Täter in vielen Städten individuell anzusprechen und auf ihre Familien zuzugehen. Doch Axer forderte auch, dass man auf Kinder viel früher zugehen müsse: Kein Kind dürfe nach Jahren eine Schule verlassen, "ohne nicht mehrmals dort angesprochen worden zu sein von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern". Daran dürfe man nicht sparen.

Trainings über Gefahren und Zivilcourage fehlen

Axer forderte zudem mehr "Trainings für Jugendliche, um auf die Gefährlichkeit von Waffen und Messern aufmerksam zu machen". Gleichzeitig müsse es aber auch Trainings für Zivilcourage geben, ergänzte die AWO-Vertreterin. Doch das brauche Geld. Demgegenüber werde aber gerade im Sozial- und Jugendbereich gekürzt.

Besonders jungen Flüchtlingen fehle die Perspektive, mahnte Isa Yadel, der Geschäftsführer vom "Cafe & Bar Celona", wo das WDR 5-Stadtgespräch zu Gast war. Yadel ist selbst Einwanderer: "Zehn Jahre hat es gedauert, bis ich wirklich hier angekommen bin." Viele hätten "heute keinen Halt, können nicht hier arbeiten". Er habe selbst oft genug Probleme, Geflüchtete bei sich anzustellen.

"Wir müssen Perspektiven bieten"

Norika Creuzmann, Grünen-Landtagsabgeordnete aus Paderborn, stimmte dem zu: "Wir müssen Perspektiven bieten. Wir müssen die Bürokratie entschlacken." Die Politikerin machte deutlich, dass das Thema Jugendkriminalität in Düsseldorf schon allgegenwärtig sei. Allerdings fehle nicht nur das Geld sondern auch die Fachkräfte im Sozialbereich.

Es bleibe aber nichts anderes übrig, als in Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Erzieher zu investieren, verlangten Gäste und Experten. "Damit die Jugendlichen nicht hinten herunterfallen."

Unsere Quellen:

  • WDR 5 Stadtgespräch vom 27.06.2024
  • Reporter vor Ort