Erschossener Jugendlicher: Polizisten hatten Bodycams wohl nicht eingeschaltet

Stand: 16.08.2022, 20:02 Uhr

Bei dem tödlichen Einsatz gegen einen 16-Jährigen in Dortmund in der vergangenen Woche waren Bodycams offenbar nicht eingeschaltet. Der junge Mann soll mit einem Messer auf Polizisten losgegangen sein.

Die Schulterkameras müssten von jedem Polizisten selbst eingeschaltet werden. Und das hat nach aktuellem Wissensstand keiner der Beamten getan. Warum sie ausgeschaltet waren und ob man sie überhaupt hätte einschalten dürfen, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen, teilte das NRW-Innenministerium am Dienstagabend auf WDR-Anfrage mit.

Situation änderte sich plötzlich

Zuerst sah es für die Polizisten so aus, als wollte sich der 16-Jährige mit einem Messer selbst töten. Kurze Zeit später hätten sich aber die Beamten von dem jungen Mann bedroht gefühlt und zur Waffe gegriffen. Dabei sei keine Zeit mehr gewesen, die Bodycam einzuschalten, heißt es. Mouhamed D. wurde von fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole der Polizei tödlich getroffen.

Bodycams sollen vorallem zur Abschreckung dienen

Der Kriminologe Thomas Feltes ist wenig überrascht von der Tatsache, dass die Bodycams nicht eingeschaltet waren. Die Bodycams seien nämlich nicht zur Dokumentation von polizeilichen Einsätzen angeschafft worden: "Die Bodycam ist im Grunde genommen ein abschreckendes Instrument, vergleichbar mit Pfefferspray oder dem Taser, auf das das polizeiliche Gegenüber reagieren soll."

Die abschreckende Wirkung sei in diesem Fall aber nicht gegeben, so Feltes. Der 16-jährige Mouhamed D. befand sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Selbst wenn er wahrgenommen hätte, dass die Schulterkameras angeschaltet worden wären, hätte das an seinem Verhalten nichts geändert.

Polizeigesetz lässt Spielraum bei Bodycams

Der Einsatz der Bodycams ist im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen geregelt. Dort heißt es, dass die Polizisten die Polizisten die Kamera aktivieren können, "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist."

Pflicht ist das Einschalten der Kameras aber nicht - auch wenn sie die Ermittlungen wie in dem Fall von Mouhamed D. erleichtern könnten. Kriminologe Feltes hat das Gefühl, dass die Hilfsmittel zu selten eingesetzt werden: "Mir wäre es lieber, wenn die Kameras einmal mehr aufnehmen - auch zu Beweiszwecken."

Polizei bittet um Fotos oder Videos

Die Polizei Recklinghausen, die aus Neutralitätsgründen die Ermittlungen übernommen hat, fordert mögliche Zeugen jetzt auf, private Fotos und Videos des Einsatzes an das Hinweisportal der Polizei NRW zu senden.

Über dieses Thema haben wir am 16.08. in der Lokalzeit aus Dortmund im WDR Hörfunk und in der TV-Lokalzeit berichtet.